Gestapo-Müller  -  vom US-Geheimdienst übernommen

 

Mit Ende des Zweiten Weltkrieges, und kurz vorher schon mit dem Tode des Präsidenten F.D. Roosevelt, war führenden Männern der USA, auch dem nachrückenden Vizepräsidenten Harry S. Truman, klar geworden, in welchem gefährlichen Ausmaß kommunistische Agenten während der Roosevelt‑Ära ab 1933 in die Führungsstellen der Vereinigten Staaten eingedrungen waren und dort dafür sorgten, die US-­Kriegspolitik zu beeinflussen, Stalin wertvollste Wirtschaftsgüter und Waffensysteme kostenlos zu überstellen, geheimste Pläne und Patente einschließlich der Atomwaffenprojekte zu verraten. ­So stand Amerika als Ergebnis dieses Weltkrieges der größten, und zwar erstmals lebensbedrohenden Gefahr seiner Geschichte gegenüber, - ausgelöst von seinem bolschewistischen Verbündeten.

 

Da die US‑Geheimdienste seit Jahren über die UdSSR so gut wie keinerlei Aufklärung betrieben hatten, der plötzlich zum Präsidenten aufgestiegene Harry S. Truman andererseits die beängstigende Unterwanderung der wichtigsten Ministerien mit kommunistischen Agenten erkannt und zudem festgestellt hatte, wie sehr die US‑Regierung unter F.D. Roosevelt von den eigenen "privaten öffentlichen Meinungsmachern" jahrelang über Strukturen, Methoden, Zielsetzungen, weltweite Spionagenetze der Sowjets desinformiert worden war, mißtraute er auch seinen oberen jüdischen Mitbürgern. Hinzu kommt, daß er dieser Phalanx des Roosevelt‑Erbes mit dürftigen Kenntnissen über die weltpolitischen Zusammenhänge gegenüberstand. Sein Amt als Vizepräsident hatte er zudem gegenüber seinem Vorgänger Henry Wallace kurz vor Kriegsende nur mit knappem Parteienvotum durchsetzen können. So benötigte Truman mehr als andere Präsidenten vor ihm vom Establishment und Kommunismus erwiesenermaßen unabhängige Wissensträger und Berater. Er zog sie sich aus dem großen Reservoir der deutschen Kriegsgefangenen heran, ließ sie unter dem Schutz seiner Geheimdienste verdeckt arbeiten und leitete auf diese Weise ein Umdenken der amerikanischen Innen‑ und Außenpolitik ein. War auch diese Tatsache an sich schon im Grundsätzlichen bekannt, so doch nicht unbedingt in den Details.

 

So erschien "Geheimakte Gestapo‑Müller" von Gregory Douglas als ziemliche Sensation, zunächst in den USA, dann auch in der Bundesrepublik. Hier wurden Dokumente vorgelegt, denen zufolge auch Gestapochef Heinrich Müller diesen Weg in die USA gefunden hatte. In der Tat hatte sich seit Kriegsende über Heinrich Müller und die Gestapo ein auffallendes Schweigen ausgebreitet.

 

Trotz Todeserklärung hat der Gestapo‑Chef, SS-Gruppenführer und Generalleutnant der deutschen Polizei Heinrich Müller ‑­ von Gerald Reitlinger als "nach Himmler neben Adolf Eichmann" als "größter Massenmörder" bezeichnet -, das Kriegsende in der Schweiz überlebt, - und wurde offiziell von kaum jemandem gesucht, ganz im Gegensatz zu seinem Untergebenen Adolf Eichmann und den vielen weit unbedeutenderen Chargen.

 

"Am 15.12.1945 wurde Müller unter dem Az 11706/45 in das Totenregister des Standesamtes Berlin‑Mitte eingetragen - auf wessen Meldung hin, läßt sich nicht mehr aufklären. Gleichfalls unklar ist, woher die angebliche Leiche Müllers kam, als sie am 17.9.1945 in Grab 1 Reihe 1 Abt. 6 des Garnisonsfriedhofs bestattet wurde."

 

Intern hatte das Amtsgericht Berlin‑Tiergarten am 7.1.1961 einen Haftbefehl gegen Heinrich Müller erlassen. Die Amerikaner sperrten sich indessen gegen Auskünfte. Als 1963 ... auf Veranlassung der "Ludwigsburger Zentralstelle für die Verfolgung von NS­-Verbrechen" durchsetzten, sein offizielles Grab in Berlin 2 x zu exhumieren und erkannten, daß dort Skeletteile von 3 verschiedenen Menschen zu Tage gefördert wurden, die mit Heinrich Müller nicht identisch waren, hat die Öffentlichkeit davon kaum etwas erfahren. Auch die privaten Nazi-Jäger wie Simon Wiesenthal, Elie Wiesel und andere, bewahrten erstaunliches Stillschweigen über diesen Mann, nachdem die "Suchserie" der Welt am Sonntag vom 3.11. ‑ 15.12.1963 ausgelaufen war.

 

Heinrich Müller, der Ende April 1945 seiner Schilderung zufolge mit Hilfe eines verläßlichen Piloten und eines Fieseler Storches mit Geld und Unterlagen in die Schweiz entkommen konnte, stand seit 1948 im Sold der CIA und wurde an einen geheimen Ort in die Vereinigten Staaten verbracht. Er war der spezialisierteste Kenntnisträger der deutschen Gegenspionage, der mit Struktur und Arbeitsweise der weltweiten kommunistischen Agentenringe vertraut war.

 

Ähnlich wie General Reinhard Gehlen ‑‑ "Heinrich Müller ist diesem bei weitem überlegen hinsichtlich seiner Kenntnisse und deren Anwendung", so der amerikanische Kontaktmann, der Heinrich Müller angeworben hatte ‑‑ wurde auch der Chef der Gestapo offensichtlich mit seiner ehemaligen Mannschaft spezialisierter Agenten (352 Mann sind genannt) von den USA in Dienst genommen und zwar bei anständiger Behandlung, guter Besoldung und Einhalten der gemachten Zusagen. Unter ihnen befand sich auch Müllers Stellvertreter im RSHA, SS‑Oberführer Willi Krichbaum, Kommandeur der Geheimen Feldpolizei. Krichbaum, der nach dem Krieg vornehmlich für den Bundesnachrichtendienst als Hauptanwerber für Agenten mit Dienststelle in Bad Reichenhall arbeitete, hat sogar für seinen ehemaligen Chef den Kontakt mit dem CIA hergestellt.

 

Heinrich Müller wurde trotz seines hohen Staats- (nicht Partei‑) Amtes nicht als "Nazi" eingestuft, ihm wurde seine Loyalität gegenüber seinem Staatsoberhaupt Adolf Hitler bis in die letzten Kriegstage nicht angelastet. Das ist angesichts der weltweiten Menschenjagd, die jahrzehntelang in allen Erdteilen von den Siegermächten und ihren Helfershelfern rücksichtslos selbst gegen untergeordnete Staatsbedienstete, Parteimitglieder und Soldaten allein ihrer Stellung wegen durchgeführt wurde, außerordentlich erstaunlich und belegt, wie unecht die Propagandaschlagworte über die angeblichen moralischen Ansprüche der "heiligen Krieger für die Zivilisation" gegen die "deutschen Barbaren" in Wirklichkeit waren.

 

Heinrich Müller hatte bis 1933 als Polizeikommissar in der Bayerischen Staatspolizei (politische Abt. VI) sich zwar auch um kommunistische Tätigkeiten zu kümmern, doch hatte er gleichermaßen Anhänger der NSDAP "oft zu verfolgen", so seine Aussage.

 

Insofern hatte weder Hitler, noch hatten die bayerischen NS-­Mitglieder besonderen Grund, ihn "zu mögen". Ihm wurde jedenfalls nichts nachgetragen. Reinhard Heydrich übernahm ihn sowie eine Reihe seiner Mitarbeiter und versetzte ihn 1934 zur Gestapo nach Berlin. Heinrich Müller trat in die SS ein, wurde Chef des Amtes IV (Gestapo) innerhalb des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) und stand nach zahlreichen Umstrukturierungen schließlich einem Amt vor, dessen Untergliederung die Ämter umfaßte:

 

IV A Fachreferat

 

mit Untergliederung A 1 »links‑ wie rechtsradikale Opposition«, A 2 »Gegensabotage«, A 3 »Gegenspionage«, A 4 »Juden, christliche Kirchen«, A 5 »Sonderfälle«, A 6 »Sicherheitsverwahrung«

 

IV B Länderrat

 

mit Untergliederung B 1 »besetzte Gebiete im Westen«, B 2 »besetzte Gebiete im Osten«, B 3 »besetzte Gebiete im Südosten«, B 4 »Pässe und Ausweise«, B a »Grundsätze zur Beschäftigung von Fremdarbeitern«

 

IV C Grenzpolizei (Zollgrenzschutz)

 

Zirka 25.000 Mitarbeiter dürften in diesen Ämtern tätig gewesen sein, zusätzlich eine weitaus höhere Mannschaft im Reich verstreut lebender Vertrauensleute. Die Übernahme der Abwehraufgaben, die bis Mitte Februar 1944 von der Wehrmacht und bis zum Attentat vom 20. Juli 1944 von der Abwehr unter Admiral Canaris wahrgenommen wurden, konzentrierten die geheimdienstlichen Bekämpfungsbereiche bei der Gestapo. Diese war Staatsbehörde geblieben.

 

Da Heinrich Müller sämtliche Geheimdienstbereiche einschließlich ihrer Technik zur Verfügung standen, er zuweilen sogar persönlich höchste Chargen verhörte, auch über die Vernehmungen sowjetischer Kriegsgefangener und Agentenüberläufer unterrichtet war, hatte sich bei ihm Wissen und Macht konzentriert. Seit dem Attentat am 20. Juli 1944 wurde Heinrich Müller auf ausdrücklichen Befehl Hitlers diesem unmittelbar unterstellt. Damit waren sogar Ernst Kaltenbrunner ‑‑ sein normaler Dienstvorgesetzter ‑‑, aber auch Heinrich Himmler ‑‑ Reichsinnenminister und oberster Polizeiführer ‑‑ von seinem Dienstbereich ausgeschlossen worden. Seit diesem Zeitpunkt hatte Heinrich Müller ständig unmittelbaren Zugang zu Hitler, sogar unter Umgehung von Martin Bormann. Gegen Kriegsende hat ihm Adolf Hitler die höchste Auszeichnung, den "Deutschen Orden" verliehen.

 

Dabei wird Müller als Mann geschildert, der ziemlich rauhbeinig zu Mitarbeitern, aber auch Vorgesetzten gewesen sein soll. Mit Ausnahme von Hitler und Göring hat er so ziemlich über alle seine abfälligen Bemerkungen gemacht. Dabei blieb er seinen Vorgesetzten und Mitarbeitern gegenüber auch bei seiner späteren Zusammenarbeit mit den Amerikanern loyal.

 

Gegenstand des vorgenannten Buches einschließlich seines 2. Bandes sind ‑‑ zweifellos mit zahlreichen, wie bei Geheimdiensten üblich, opportunen Desinformationen durchsetzte ‑‑ Gespräche, die Heinrich Müller in der Schweiz im Herbst 1948 mit maßgebenden CIA‑Angehörigen geführt hat. Deren Identität wurde im 2. Band als James Speyer Kronthal, Amtschef des CIA in Bern und Frank Wisner, Leiter der CIA‑Geheimdienstoperationen, preisgegeben. Über diese in der Schweiz geführten Gespräche liegen 800 Seiten amtlicher Protokolle vor, die Müller zuweilen noch geändert oder verbessert hat. Die Authentizität dieser Dokumente dürfte nicht anzuzweifeln sein, ihr Inhalt freilich sehr, wollten doch die Amerikaner mit diesen Interviews ihre eigene Propaganda bestätigen und die "Läuterung" Müllers demonstrieren, falls einmal etwas über seine "Entführung" in die USA an die Öffentlichkeit durchsickern sollte. Auf diese Weise sei zu erwarten, daß Sachkenner sogleich das Gesamtpaket "Heinrich­-Müller‑Akte" in den Papierkorb verweisen würden.

 

Otto Skorzeny und Ulrich Rudel haben gewußt und 1965 bzw. Anfang der 70er Jahre zuverlässigen Personen anvertraut, daß Heinrich Müller nach Kriegsende in der Schweiz lebte und anschließend für die US-Geheimdienste arbeitete.

 

Gregory Douglas hat nicht nur die vorliegenden Dokumente geprüft, sondern sich auch in zahlreichen US‑Archiven nach weiteren Papieren über Heinrich Müller erkundigt und erfahren, daß die Dokumentenmappen über den ehemaligen Gestapochef im US‑Geheimdienst‑Archiv ‑‑ Fort George Meade in Maryland ‑ ­aufbewahrt, aber in wesentlichen Teilen nach wie vor "aus Sicherheitsgründen" unter Verschluß gehalten werden.

 

Gregory Douglas hat den ehemaligen Gestapochef 1965 im Rentenalter ‑‑ inzwischen war dieser zum US-Brigadegeneral d.R. befördert worden ‑‑ persönlich in den USA kennengelernt und von ihm weitere Unterlagen zwecks Veröffentlichung nach seinem Tode erhalten. Heinrich Müller ist 1983 verstorben.

 

Quelle: "Historische Tatsachen" Nr. 78, S. 4 f (Geheimakte Gestapo-Müller)

 

Anmerkung: In diesem Bereich eröffnet sich noch ein weites Feld der historischen Forschung. Heinrich Müller ist wahrlich nicht der einzige Top-Nazi, der von den Aliierten für tot erklärt wurde, um weiterhin für die Siegermächte oder anderweitig zu arbeiten. Der ehemalige Bundesminister Dr. Andreas von Bülow (SPD) schreibt in seinem Standardwerk über die illegalen Machenschaften der Geheimdinste ("Im Namen des Staates"), S. 589 Fn 839: "Die Entsorgung hoher SS-Generale in Richtung Syrien, Ägypten und den Libanon mit Hilfe der britischen Geheimdienste ergibt sich aus einem französischen Geheimdienstbericht .... Hierzu gehörten SS-Gruppenführer Dirlewanger, SS-Obergruppenführer Wolff, SS-Gruppenführer Katschmann u.a."

Parallel dazu lief die "Amerikanisierung" anderer Nazi-Täter innerhalb der BRD bevorzugt über die Einbindung in die Clubs insbesondere von Rotary-International (vgl. z.B. Gerhard Gaul, Theodor Eschenburg, Helmut Lemke, Hartwig Schlegelberger, Clemens von Jagow, Ernst Rudolph Huber usw.). Erstaunlich häufig waren nach 1945 auch SS-Männer in den Logen anzutreffen, was allerdings unter Beachtung der Freimaurerfeindlichkeit des NS-Regimes nur auf den ersten Blick überrascht.