Typisch lübsch (6)
Tausche Fußweg gegen Scheißhaus - oder die durch kontinuierlichen
Alkoholgenuß herbeigeführte Amnesie lübscher Polit-Krämer
Neue Erkenntnisse in der
Fußweg-Affäre: In der achten Sitzung des Fußweg‑Ausschusses (der
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck) hat gestern Rolf Erwert, Vorsitzender des
Lübecker Yacht‑Clubs (LYC), ausgesagt. Erwert überraschte das 15‑köpfige
Gremium mit detaillierten Angaben zu einer Fahrt der Lübecker CDU Ende August
2004 auf der Barkasse "Paul", die sich seinerzeit im Besitz der
Familie des Lübecker Unternehmers Klaus Dreyer befand. Der Ausschuss soll
Vorgänge um den Verkauf eines öffentlichen Weges in Travemünde an Dreyer
aufklären (die LN berichteten).
Laut Erwert hatte ihn Dreyer
erst unmittelbar vor der Fahrt gebeten, mit an Bord zu kommen. Während des
Törns habe es dann ein Gespräch zwischen Erwert, Dreyer, dem CDU‑Vorsitzenden
Frank Sauter sowie CDU-Fraktionschef Klaus Puschaddel gegeben. Im Mittelpunkt
habe der geplante Fußweg‑Verkauf gestanden. "Sowohl Puschaddel als
auch Sauter signalisierten uns, den Deal politisch befürworten zu wollen",
erklärte Erwert. Es sei darum gegangen, ein mögliches Kopplungsgeschäft
auszuloten.
Dreyer habe zugesagt, den
Kaufpreis für den Fußweg sowie eine Spende in gleicher Höhe, insgesamt 200.000
Euro, für den Bau öffentlicher Toiletten in der Nähe des LYC zur Verfügung
stellen zu wollen. Puschaddel selbst war vor dem Ausschuss Spekulationen über
den Barkassen-Ausflug entgegengetreten. Es sei damals "um Gott und die
Welt" gegangen. Er könne aber nicht ausschließen, dass er mit Dreyer auch
über eine mögliche Verwendung des Kauferlöses gesprochen habe.
Nur zwei Tage später
informierte Erwert nach eigener Aussage auch SPD-Fraktionschef Peter Reinhardt
über die Barkassen-Fahrt und den geplanten Deal. Erwet: "Auch Reinhardt
sagte mir seine Unterstützung zu." Der Politiker hatte am 12. Februar von
einer "Riesen-Sauerei" gesprochen, weil er sich angeblich über die
Verwendung des Verkaufserlöses getäuscht gefühlt habe.
Quelle: Lübecker Nachrichten vom 11.5.2005
Anmerkung: Rolf Erwert ist Anwaltsnotar und darüber hinaus ein Ehrenmann,
was nicht so selbstverständlich ist. Der Kulturredakteur von
"luebeck-kunterbunt" hat aus eigener Anschauung keinen Zweifel an dem
Wahrheitsgehalt seiner Aussage. Soweit andere Zeugen vor dem Ausschuß
abweichendes gesagt haben sollten, müssen sie irren oder gelogen haben, was in
der Führungsetage lübscher Politik keinesfalls eine Rarität darstellt. Aber was
tut man nicht alles für die Partei, wenn einige (gestückelte) Spenden dabei
abfallen. Nach der Flick-Affäre und den schwarzen Konten von Kohl und Kanther
ist man fast schon geneigt, den Hobby-Artisten von der Trave ein abgesenktes
Unrechtsbewußtsein oder sogar generell mildernde Umstände einzuräumen.