Lübecks Hölle

 

Nicht abgedruckter Leserbrief der Religionssoziologin Katharina Ehrenstein vom 19.12.2002 an die "Lübecker Nachrichten":

 

Wenn ich Dramaturg wäre und eine Hölle bestücken müßte, würde ich genau die Personen auswählen, die Sie auf dem Foto versammelt haben. Hinter Herrn Fauth scheint ja sogar noch der frühere Bürgermeister Bouteiller hervorzulugen.

 

Lothar Fauth ist bekennender Schwuler und himmelnder Katholik, der sich doch immer auf seinen Freund, den polnischen Papst bezog. Ob nicht bezüglich Europa so viele Vorstellungen existieren, wie es Köpfe von Menschen gibt.

 

Dann frage ich mich, was für Zwangsvorbilder der Jugend immer aufgedrängt werden. Moderne Honoratioren haben vor allen Dingen immer diese glattpolierten Gesichter, in denen sich nur Selbstverliebtheit widerspiegelt. Man kann tausende Physiognomien der Geschichte studieren, von den alten Griechen und Römern über Lavater bis heute und heute gibt es im Wesentlichen zwei Eigenschaften, die dominieren: Selbstliebe und fehlende Skrupel. Der zur Zeit aktuelle "Kannibale von Rotenburg" ‑ auch ein Schwuler ‑ hatte ebenfalls diese unglaubliche Beliebtheit und das verbindliche Äußere. Oscar Wilde, auch ein Homosexueller, hat dargestellt, wie sich die Spaltung der Person vollzieht, und zwar in seinem Dorian Gray. Aber haben wir diese Heuchler nicht so satt wie nichts sonst auf der Welt und leidet nicht gerade die Jugend am meisten darunter? Braucht die Jugend nicht gerade andere Werte?

 

Von Lothar Fauth habe ich ein kürzlich verfaßtes Pamphlet gelesen, mit dem er versuchte die Kandidatur seines Parteifreundes Hermann Junghans für den Dezernentenposten in Schwerin zu Fall zu bringen und ich kann nur sagen: Wer mit Freunden so umgeht, sollte sich für den Rest seines Lebens nur noch schämen. Aber genau das können diese Leute nicht. Sich‑Schämen ist eine Eigenschaft von Verlierern und sie setzt auch voraus, daß man Ideale hat, an denen man sich mißt und vor denen man versagt hat. Der Jugend wird also aufgezwungen, daß der eiskalte Heuchler der Held dieser Zeit ist. Es gibt ja auch niemanden, der Lothar Fauth kritisieren könnte, weil alle, die um ihn herumsitzen, genau so sind. Wir können für unseren Verein nur sagen: Niemals hat uns einer mehr geschadet als die Herrschaften auf dem Foto und wir haben über Jahrzehnte junge Leute sprichwörtlich aus dem Dreck gezogen und zu ‑ teilweise extrem erfolgreichen ‑ Bürgern gemacht. Man sollte daher gelegentlich, wie Dorian Gray es tat, den Vorhang vor dem zweiten Ich wegschieben und sich einen Realitätsschock zumuten‑ auch Lothar Fauth.

 

gez. K. Ehrenstein