FDP
in Lübeck
(")Im Zuge der
unrühmlichen Hintergründe, die zu meinem Entschluss geführt
hatten, Anfang Mai 2010 mein Bürgerschaftsmandat niederzulegen,
musste ich schmerzhaft erkennen, dass die Mehrheit der
Kreisvorstandes sich aus meiner Sicht – mit Verlaub – als
in höchstem Maße charakterlos zu erkennen gegeben hat.
Anders ist es für mich nach wie vor nicht erklärbar, dass
sich der Kreisvorstand dem offenen und aus meiner Sicht mehr als
schäbigen Nötigungsversuch durch die (im Fall Vögele
seinerzeitigen) Fraktionsmitglieder Karl Erhard Vögele und
Wolfgang Drozella widerstandslos gebeugt hat. Als besonders
menschlich enttäuschend habe ich in diesem Zusammenhang zur
Kenntnis nehmen müssen, dass ausgerechnet diejenigen, die noch
in den Wochen und Tagen vor der entscheidenden Sitzung des
Kreisvorstandes am 30.04.2010 meine persönliche Nähe
gesucht hatten, offenbar die wenigsten Skrupel hatten, sich auf die
Seite der Herren Vögele und Drozella zu stellen, die offen
gedroht hatten, anderenfalls die FDP-Fraktion unter Mitnahme ihrer
Listenmandate zu verlassen und eine eigene Fraktion zu bilden
(zusätzliche Kosten für die Stadt: ca. 104.000 Euro
jährlich).
Unabhängig von meiner sicher
nachvollziehbaren menschlichen Enttäuschung muss ich
feststellen, dass die Qualität der Arbeit der FDP-Fraktion in
der Lübecker Bürgerschaft nach den fraglichen Vorgängen
rapide abgenommen und das öffentliche Erscheinungsbild der
Lübecker FDP geradezu desaströs geworden ist. Von
nennenswerten politischen Aktivitäten oder Initiativen der
Fraktion ist praktisch überhaupt nichts mehr öffentlich
wahrnehmbar.
Vielmehr hat sich das entstandene Bild der
Selbstauflösung der Lübecker FDP u.a. durch die relativ
kurz nach der erfolgreichen Nötigung erfolgte
Mandatsniederlegung durch Karl Erhard Vögele (der kürzlich
ja sogar aus der FDP ausgetreten ist) verfestigt.
Auch haben
die Ereignisse aus den Monaten April und Mai 2010 offenbar im
Ergebnis zu weniger innerparteilichem bzw. innerfraktionellem
Mitspracherecht geführt. Ich erinnere insofern beispielsweise an
den einsamen Entschluss meines Nachfolgers im Amte des
Fraktionsvorsitzenden, die Stelle des Fraktionsgeschäftsführers
mit einem persönlichen Bekannten zu besetzen, ohne insofern die
Meinung der (erweiterten) Fraktion einzuholen. Wie ich unlängst
zufällig hörte, führte diese Eigenmächtigkeit im
Ergebnis dazu, dass ein "politikerfahreneres" Mitglied der
Lübecker FDP trotz mindestens vergleichbarer beruflicher
Qualifikationen im Ergebnis keinerlei ernsthafte Gelegenheit erhielt,
sich um den vakanten Posten zu bewerben.
Ungeachtet dessen
habe ich lange den Grundsatz befolgt, dass man seriöser Weise
seine Mitgliedschaft in einer politischen Partei nicht ausschließlich
von persönlichen Enttäuschungen bzw. Befindlichkeiten
abhängig machen und seine Entscheidung für oder gegen eine
Parteimitgliedschaft sorgfältig bedenken sollte.
Angesichts
der Erfahrungen mit der Regierungsbeteiligung der FDP im Bund, aber
auch in Schleswig-Holstein kann ich jedoch nach sorgfältiger
Abwägung keinen Sinn in einer weiteren FDP-Mitgliedschaft
erkennen.
Die Situation der Bundes-FDP näher zu
beleuchten, hieße, "Bäume in den Wald zu tragen",
da hierzu in letzter Zeit von anderen eigentlich alles gesagt
wurde.
Aber auch die Leistungen der FDP im Kieler Landtag sind
meines Erachtens bislang dem hohen eigenen Anspruch der Partei in
keiner Weise gerecht geworden. Insofern sei nur kurz auf die
sämtliche gesellschaftlichen Entwicklungen und Erwartungen der
Bevölkerungsmehrheit ignorierende Schulpolitik verwiesen. Dass
die beiden "ranghöchsten" FDP-Vertreter in
Landtagsfraktion und Landesregierung, Wolfgang Kubicki und Dr. Heiner
Garg, in einem aktuellen parteiinternen Positionspapier ("Die
Krise der Liberalen") sich ausschließlich mit dem Zustand
der Bundes-FDP auseinandersetzen und dabei das nicht minder schlechte
Erscheinungsbild des liberalen Regierungspartners in Kiel völlig
ausblenden, scheint für die fehlende Fähigkeit der
kritischen Selbstreflektion auch der FDP-Landespolitiker bezeichnend
zu sein.
Zwar ist im Übrigen grundsätzlich
anzuerkennen, dass die derzeitige Landesregierung im Gegensatz zu den
Vorgänger-Regierungen erstmals ernsthafte Anstrengungen zur
Sanierung des Landeshaushaltes unternommen hat. Allerdings ist gerade
aus Lübecker Sicht zu kritisieren, dass hierbei das (eigentlich
selbstverständliche) Gebot der regionalpolitischen
Ausgewogenheit aufs Gröbste missachtet wurde. Die FDP-Fraktion
im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat bekanntlich bei dem
insbesondere von Herrn Kubicki öffentlich lange verteidigten
Versuch eine unrühmliche Rolle gespielt, die Lübecker
Universität faktisch zu liquidieren (und zwar unter
gleichzeitiger vollständiger Verschonung der größten
Uni im Lande).
Gerade aus Sicht des Lübecker
Kreisverbandes ist in diesem Zusammenhang in überhaupt keiner
Weise nachvollziehbar, weshalb weder der Lübecker
Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Gerrit Koch noch die
stellvertretende Kreisvorsitzende und Landesvorstandsmitglied Frau
Dr. Michaela Blunk ihre Funktionen dazu genutzt haben, ihren
entschlossenen Widerstand gegen den "Todesstoß" für
die Lübecker Uni gleich nach fraktions- bzw. vorstandsinternem
Bekanntwerden der Schließungspläne
anzukündigen.
Stattdessen hatte Gerrit Koch nach
öffentlichem Bekanntwerden der Schließungspläne
(LN-Bericht vom 23.04.2010 und Radio-Interview mit Herrn Kubicki am
selben Tage) den entsprechenden Punkt auf der "Sparliste"
in einem taggleich mit mir geführten internen Mailwechsel
vehement verteidigt. Noch Ende Mai 2010 verteidigte der Lübecker
Kreisvorsitzende Gerrit Koch öffentlich den Plan, den
Medizin-Studiengang in Lübeck zu schließen (LN vom
27.05.2010: "Der einzige lübsche
Regierungsfraktions-Abgeordnete ist Gerrit Koch (FDP). Der aber lehnt
es ab, das Sparpaket noch einmal aufzuschnüren. Er hat am
Dienstag bereits die Hand dafür gehoben. "Es bleibt erstmal
dabei, das ist ja ein Gesamtpaket", verteidigt sich Koch. Knicke
man an der einen Ecke ein, bekomme man es zur Gänze nicht
durch."). Erst sehr spät, nämlich als die Protestwelle
gegen die Schließungspläne ihren Höhepunkt erreicht
und sich aufgrund der Intervention und finanziellen Kompensation
durch den Bund bereits abgezeichnet hatte, dass die Schließungspläne
nicht umgesetzt werden würden, schwenkte Gerrit Koch um.
Damit
wurde die – nahezu als historisch zu bezeichnende –
politische Chance für die Lübecker FDP geradezu jämmerlich
vertan, sich an die Spitze der Verteidiger der Lübecker Uni zu
setzen. Schließlich war und ist Gerrit Koch angesichts der
Ein-Stimmen-Mehrheit der Regierungsfraktion im Kieler Landtag das
"Zünglein an der Waage"!
Aber nicht nur dem
Lübecker Kreisvorsitzenden war das Schicksal der Lübecker
Universität lange Zeit offenbar relativ gleichgültig,
sondern auch seiner Stellvertreterin, Frau Dr. Blunk. Diese ließ
im Rahmen einer internen Rundmail an den Kreisvorstand und die
erweiterte Bürgerschaftsfraktion erst am 27.05.2010 die "Katze
aus dem Sack", in dem sie eher beiläufig mitteilte, dass
sie sich im Landesvorstand der FDP auf ausdrückliches Befragen
nicht gegen die Weitergabe der Sparliste (und somit der Beendigung
der Medizinerausbildung in Lübeck) in die Landtags-Gremien
ausgesprochen habe – und das, nachdem die Lübecker FDP im
Kommunalwahlkampf 1998 den Erhalt der Uni Lübeck zu einem Ihrer
Hauptthemen erhoben hatte!
Als langjähriger
Kommunalpolitiker, der sich mit seiner Heimatstadt und deren
Interessen stets verbunden fühlte und fühlt, kann ich nur
noch mit Unverständnis und Entsetzen zur Kenntnis nehmen, dass
ausgerechnet die beiden genannten Lübecker Vertreter in den
Landesgremien der FDP nun, da sie die Gelegenheit hätten, mit
einer gewissen Erfolgsaussicht für die (kommunalen) Interessen
der Stadt und der Region einzutreten, diese eher verraten.
Insofern
sei als weiteres unrühmliches Beispiel die im Ton völlig
überzogene Reaktion des Lübecker Kreisvorsitzenden im
Kieler Landtag am 18.11.2010 auf die Forderung des Lübecker
Bürgermeisters Bernd Saxe genannt, die dieser in seiner Funktion
als Vorsitzender des Schleswig-Holsteinischen Städtetages an die
Landesregierung gerichtet hatte. Hierbei ging es um die Erstattung
von (neuen) Kosten für die Betreuung von unter 3jährigen
Kindern, die allein in Lübeck jährlich mit fast 10 Mio.
Euro zu Buche schlagen werden! Statt sich auf eine sachliche
Auseinandersetzung mit den Forderungen der Kommunen zu beschränken,
gefiel sich der vormalige Kommunalpolitiker und Lübecker
Abgeordnete darin, im Rahmen seiner Rede im Kieler Landtag in
hämischer und polemischer Weise über seine Heimatstadt und
Bürgermeister Bernd Saxe "herzuziehen".
Insgesamt
kann ich für mich nur feststellen, dass die FDP, gemessen an
ihren eigenen Idealen und politischen Forderungen, für deren
Eintreten auch ich meine Freizeit über viele Jahre geopfert
habe, fast durchgängig versagt hat.(")
Quelle: Thomas Schallies