Bürger eines kranken Landes
Ich bin Deutschland und nehme
meine abendliche Berliner S‑Bahn Richtung Wohnort. Durch die Fenster kann
ich wie immer kaum sehen, denn sie sind zerkratzt oder beschmiert oder beides.
Zu meiner Verwunderung finde ich einen Sitzplatz, und der ist nicht einmal
aufgeschlitzt. Besonders kommod sitze ich nicht, denn der fette, junge Mensch
neben mir benötigt eigentlich zwei Sitze und er bohrt mir beharrlich seinen
Rucksack in die Seite. Meine Beschwerden kann er nicht hören, denn sein
Kopfhörer beschallt ihn scheinbar mit frühen Werken auf der Stalin-Orgel. Auch
sonst könnte ich mich nicht auf mein Buch konzentrieren, denn etliche Migrationshintergrundmitbürger krakeelen lautstark in
fremdartigen Lauten über mehrere Sitzreihen ‑ Hauptstadt eben. Sich
abwechselnde Obdachlosenzeitungs-Verkäufer und Zigeunermusik Vortragende
vervollständigen das Bild. Langweilig wird mir nicht, denn ich muß die gesamte
Fahrt den Riesenhund ohne Maulkorb gegenüber im Auge behalten, der sich zum
Glück nicht entschließen kann, zuzubeißen. Unversehrt erreiche ich meinen
Umsteigebahnhof und nutze den Fußgängertunnel zur Straßenbahn, der am Morgen
noch halbwegs sauber war. Ich wate durch Glasscherben, Hundekot und Restmüll.
Fast jede Fliese ist mit Farbkritzelei "verziert". Auf dem Weg treffe
ich Jugendliche, pardon, Kids. Zwei sehen im Gesicht aus wie ein reich
geschmückter Christbaum, zwei tragen schwankenden Schrittes als Statussymbol je
eine Dose Premiumpils vor sich her, zwei versuchen
erst gar nicht, ihre Farbsprühdosen zu verbergen, und zwei haben es sich im
Restmüll bequem gemacht und betteln. Immerhin: Zwei sehen ganz normal aus. Die
sollen vermutlich bald meine Rente und den Unterhalt aller Vorgenannten
erwirtschaften. ‑ Was denke ich? Bin ich Deutschland? Auf jeden Fall bin
ich Bürger eines sehr kranken Landes. Einige erfolgreiche Fußballänderspiele
werden es kaum heilen.
Quelle: Klaus Jänicke - Berlin in einem
Leserbrief in JUNGE FREIHEIT vom 7. Juli 2006
Anmerkung: Da vermutlich etwa 80 Prozent der
Deutschen (ohne Migrationshintergrund) so oder so ähnlich wie Herr Jänicke
empfinden und denken, ist es doch an der Zeit für die Sozialwissenschaftler
unserer Hochschulen zu ermitteln, welche eigentlichen zersetzenden Triebkräfte
es geschafft haben, Deutschland so auf den Hund zu bringen.