Synarchie

 

"Aber es gibt wirklich eine 'okkulte Macht': sie wird die Synarchie genannt."

 

"Mir scheint es eher die >Seeschlange< der politischen Journalisten zu sein", sagte Georges.

 

"Sie kennen den, meist auf die Maurerei bezogenen Ausspruch Disraelis: >Die Welt wird von Leuten gelenkt, von denen diejenigen sich keinen Begriff zu machen vermögen, die nicht hinter die Kulissen schauen.< Disraeli war Nichtmaurer, aber er gestattete einer Londoner Loge, sich nach ihm zu benennen >Beaconsfield<. Seien Sie überzeugt, die Synarchen lenken die Welt mehr als die Maurer, und sie lenken sie lediglich, um, per las et nefas, ihren Machthunger zu stillen. Wer Maurer ist, das heißt Mitglied eines angeblichen Geheimbundes, der nur ein verschwiegener Bund ist, sollte von der Existenz des bedeutsamsten und geheimsten aller Bünde wissen.

 

Vor ungefähr dreißig (also etwa 1930) Jahren kamen nichtjüdische Finanzmänner und Industrielle zu der Erkenntnis, daß es, wenn sie sich nicht vorsähen, den jüdischen Finanzleuten gelingen werde, sie zu verdrängen und Herren des Planeten zu werden. Sie stellten fest, daß zwei Dinge den jüdischen Finanzleuten zustatten gekommen waren: die Politik der Linken und Maurerei."

 

"Aha!" sagte Georges. "Da wären wir wieder bei der jüdisch‑maurerischen Umklammerung angelangt."

 

"Darum geht es absolut nicht. Jene Finanzmänner und Industriellen beschlossen, in jedem Lande eine Art Maurerei zu gründen, die nach rechts tendieren sollte und die sie die Synarchie nannten (der Name ist den Phantastereien eines Illuminaten des 19. Jahrhunderts, des Pseudo‑Marquis Saint‑Yves d'Alveydre, entnommen).

 

In Frankreich warben sie hauptsächlich die jungen Finanzinspektoren und die ehemaligen Studenten der Ecole Polytechnique, indem sie ihnen ein Einkommen verhießen, das ihr Ehrgeiz sich nie erträumt hätte. Der Organisator war ein einstiger Polytechniker, Coutrot, ein Mann von ungewöhnlicher Intelligenz und Aktivität, der Freunde auch in unserem Haus besaß. Er wollte eine >Weiße Großloge< gründen, in der jeder Eingeweihte nur seinen Einweihenden kennen sollte. Er schuf eine Anzahl von Vereinigungen, die das Gehirn der Synarchie wurden, deren Arm wiederum die >Cagoule< war. Es bestanden drei Stufen, ohne Verbindung untereinander: die Großpatrone, die Synarchen, die Kuttenträger. Coutrot war ihr einziges Band. Er war gleichzeitig der intime Berater des sozialistischen Ministers Espinasse.

 

Die Synarchie, die das Wirtschaftsprogramm unserer Volksfront sabotieren ließ, setzte sich für die Wiederbewaffnung Deutschlands ein, in Übereinstimmung mit ihren Mitgliedern dort und in andern Ländern. Alles war darauf angelegt, unsere Niederlage herbeizuführen und sie der parlamentarischen Regierungsform und der Maurerei in die Schuhe zu schieben. Aber die Interessen der Synarchen waren komplex, sie wirkten später auf Hitler in einem noch immer ungeklärten Sinne ein und brachten ihn von dem Entschluß ab, England zu überfallen.

 

Zu Beginn der Vichy‑Regierung waren sie in der Person des Finanzministers Bouthillier an der Macht. Auch in London traten sie in Erscheinung, unter der Flagge der France libre, und für kurze Zeit kam es zu einem Einvernehmen zwischen ihnen und den im Exil lebenden jüdischen Finanzleuten. Im März 1941 >stürzte sich< Coutrot aus dem Fenster seiner Wohnung in der Rue Raynouard. Sein Sekretär verspürte gleichfalls Selbstmordgelüste. Ein Dritter fiel aus einem Zug. Diese Vorfälle wurden ad acta gelegt. Einer Pariser Zeitung, die sie ausgeplaudert hatte, wurde gerichtliche Klage angedroht. 'Les Documents maconniques' beschränkten sich darauf, Artikel über Saint‑Yves d'Alveydre zu veröffentlichen. Auf der Totenliste steht außerdem der martinistische Groß­meister Chevillon: in seiner Wohnung wurde eine Kopie des synarchischen Vertrags gefunden, durch dessen unzulässigen Besitz >der Eigner sich<, wie Text besagte, >ungeahnten Sanktionen aussetzt<. Synarchie hatte in Frankreich bereits drei andere Männer zur Strecke gebracht: die beiden Brüder Rosselli, deren Ermordung dem Faschismus zugeschrieben wurde, und den Volkswirtschaftler Navachine, Mitglied der Grande Loge, der als ein Opfer der Sowjets galt.

 

Lange dauerte die absolute Macht der Synarchie unter dem Schutz des Marschalls Pétain nicht an - Pétain selber war nicht Synarch, ebensowenig Laval und General de Gaulle. Möglich, daß es auf Pucheu zutraf, doch bewahrte ihn das nicht davor, in Algier erschossen zu werden, wo es Synarchen gab. Falls auch auf Hermann Göring, so wurde ihm vermutlich von dieser Seite das Gift in die Zelle geschmuggelt. Die synarchische Bruderschaft ist nicht die maurerische Bruderschaft: jene Eisenherzen sind keine Bruderherzen, und sie opfern ihre Diener, wenn es zweckdienlich erscheint. Schauen Sie sich unseren guten Grand Orient an, der während des Kriegs seine Verräter gehabt hat wie die Grande Loge, die aber keinen Wert darauf legt, es einzugestehen: Bitte, einer von ihnen, ein ehemaliges Mitglied des Ordensrats, hat mehrere von uns in ein Arbeitslager gesteckt, das er leitete, und er sieht dennoch im Schoße seiner Familie friedlich dem Ende seiner Tage entgegen. Sie werden begreifen, daß wir auch Bernard Fay gegenüber nicht unnachsichtig gewesen sind.

 

Man muß gerade in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die vier Jahre lang so übel behandelte Maurerei nach der Befreiung ein mäßigendes Element gewesen ist. Sie verzieh, ich möchte sagen: auf christliche Art den ihr angetanen Schimpf, offenkundiger als gute Christen es taten. Aber kommen wir ‑ wie das Sprichwort sagt ‑ auf unsere Hammel zurück, die nicht die Hammel der Kadosch (30. Grad des schottischen Ritus der Freimaurerei) sind.

 

Das Einvernehmen zwischen den jüdischen Finanzleuten und den Synarchen war, wie ich schon sagte, von kurzer Dauer. Nach der Rückkehr der ersteren folgten die Abrechnungen Schlag auf Schlag: ein Finanzminister kam bei einem Autounfall auf dem Heimweg nach Paris ums Leben, ein Hauptmann beging Selbstmord in seiner Zelle, nachdem er unter einem nichtigen Vorwand verhaftet worden war, ein sozialistischer Abgeordneter entging mit knapper Not einem Unfall.

 

Sie können sich denken, daß manche Vorfälle, die sich seitdem, und bis in die jüngste Zeit, in der Öffentlichkeit ereignet haben, aus derselben Quelle kommen und künftige ebenfalls kommen werden. Die synarchische Festung der >Weißen Großloge< ist nicht jener Maurertempel, den eines unserer alten Rituale so anmutig als >eine lichte Stätte, wo Friede, Opfersinn und Liebe herrschen<, bezeichnet.

 

Es lag mir daran, über diese Dinge ernsthaft mit Ihnen zu sprechen, denn jeder andere wird es lachend tun, als handle es sich um eine Geschichte aus 'Ma Mère l'Oie'. Nur eins von beiden ist möglich: entweder wissen diejenigen, die lachen, nichts oder sie wissen etwas und wollen es verbergen. Man kann einem Maurer begegnen, der einem Profanen zugibt, Maurer zu sein, aber nie begegnet man einem Synarchen, der eingesteht, daß er Synarch ist.

 

Ich spreche aus Sachkenntnis. Der Zufall hatte mir Akten in die Hände gespielt, die ich naiverweise einem Parteikämpfer der äußersten Linken anvertraute, Mitglied meiner einstigen Résistance‑Gruppe; er redete mir ein, seine Partei werde sie veröffentlichen. Die Synarchie hat ihre Verästelungen, wo niemand sie vermuten würde, und deshalb ist sie so gefährlich: sie schreckt vor nichts zurück, auch nicht vor der Katastrophe, was zu unserem Ideal in krassem Widerspruch steht. Uns kommt es auf den Menschen an, auf die Formung des Menschen, auf das Glück des Menschen, während es sich für die Synarchie darum handelt, Roboter zu fabrizieren.

 

Ich mag die jüdische Finanzwelt nicht, aber muß schon sagen, daß sie mir lieber ist als jene."

 

Quelle: "Die Söhne des Lichts" von Roger Peyrefitte, Karlsruhe 1962

 

Anmerkung: Das ganze Buch stellt der Freimaurerei eine nicht gerechtfertigte relativ positive Beurteilung aus.