Rotarier Richard von Weizsäcker

Ein Mann nach dem Herzen Gottes (und den Vorstellungen von Rotary-International)

von Hennecke Kardel, Karkwurt 16, 22527 Hamburg

 

Als Vaters Sohn zur Fahne

Das Licht der in jener Zeit etwas trüben Welt erblickte der erste geborene Baron der im Kriegsjahr 1916 erblich freiherrlich gewordenen Familie derer von Weizsäcker, Sohn Richard, am 15. April 1920 inmitten blühender und gepflegter Blumenbeete im Stuttgarter Neuen Schloß mit dem sprichwörtlichen silbernen Löffel im Munde. Gleich nebenan in der Unterkunft lebt Opa Fritz von Graevenitz, Vater der Mutter, vor eineinhalb Jahren noch schärpengeschmückter Generaladjutant des württembergischen Königs. Der Vater Ernst von Weizsäcker, vor dem Ersten Weltkriege beim Flottenchef von Holtzendorff verantwortlich für Essen, Trinken und Musik bei Empfängen und Kaiserbesuchen und am Ende des Unternehmens Verbindungsoffizier der Kriegsmarine im Hauptquartier der Obersten Heeresleitung, bereitet sich fernab in Berlin gerade auf seine neue Karriere in der höheren Laufbahn des Auswärtigen Amtes vor. In der Reichshauptstadt putscht im Augenblick der ostpreußische Generallandschaftsdirektor Kapp, will den alten nach Holland verdufteten Kaiser Wilhelm wiederhaben. Die Reichsregierung flieht vorsichtshalber ins barocke und ruhig gebliebene Stuttgart. Arbeiter bilden im Ruhrpott eine "Rote Armee", Senegalesen der französischen Streitkräfte marschieren mit Mauleseln in Frankfurt am Main herum. Die soziale Frage wird im Schwabenland nur hinter vorgehaltener Hand gestellt, hier ist gut sein. Im Ländle stützen Kapital und Kirche die Systeme alter Art wie nirgends sonst in deutschen Landen. Die Gnade der hohen Geburt in würdigen Gemächern, - ein Werdender wird immer dankbar sein.

Wieder einmal hat eine deutsche Revolution nicht stattgefunden, der alte Adel wählt Berlin und das deutsche Volk einen Präsidenten vom feinsten, Paul von Beneckendorff und von Hindenburg. Bereicherungen bei der "Osthilfe" sind dem Marschall und "Sieger von Tannenberg" später schnell verziehen. Der in Holland auf Schloß Doorn untergetauchte Exkaiser Wilhelm II. erhält wegen "Bedürftigkeit" für an Polen gekommene Liegenschaften einige Millionen inzwischen harter Reichsmark ins Exil überwiesen; das Gesetz dafür folgt später nach. Der kleine Baron Richard von Weizsäcker wird gerade eingeschult, als es zum Volksentscheid kommt über die Enteignung deutscher Fürstengüter, die ja wohl nicht im Schweiße des Angesichts erarbeitet wurden. Die Blaublütigen haben einen Trommler, der heißt Adolf Hitler, und dieser befiehlt seinen inzwischen Millionen Anhängern. "Stimmt gegen die Enteignung. Recht muß Recht bleiben!" Mit seinem Drang nach Osten wußte der bevorstehende "Führer" sehr genau, welche "Elite" er in Wirtschaft, Diplomatie und Armee zur Durchsetzung seiner Pläne für das Volk "ohne Raum" gebrauchen würde.

Reichspräsident von Hindenburg legt die Macht in die Hände des "böhmischen Gefreiten". Der übernimmt aus dem "Kabinett der Barone" als Vizekanzler einen Franz von Papen, als Außenminister den Konstantin Freiherrn von Neurath, als Reichswehrminister den General Werner von Blomberg, als Finanzminister Lutz Graf Schwerin von Krosigk, als Verkehrsminister Paul Freiherrn von Eltz-Rübenach. Die meisten Sozialisten hatten bereits unter den Brüdern Strasser die Hitlersche NSDAP vor Machtübergabe verlassen. Die verbliebenen guckten mit Ernst Röhm eine Zeitlang dumm aus der Wäsche und ihren braunen Hemden, versuchten dann, den von Feudalen vorgezeichneten Weg in den Zweiten Weltkrieg zu stoppen. "Milizartiges Verteidigungsheer" und "das Land denjenigen, die es beackern", - das waren deren Vorstellungen von einer deutschen Revolution. Präsident von Hindenburg war den Männern der "Herr von Hintendurch" und die neue Regierung eine Bande monokeltragender "blauer Arschlöcher", womit die SA-Kämpfer das blaue Blut in deren Adern meinten.

Ein »gepanzertes Angriffsheer« war bereits ein gutes Jahrzehnt zuvor im Kopfe des aus Österreich gekommenen "Führers" entstanden. Für jedermann nachzulesen in dessen Bestseller "Mein Kampf": Es sollte "das Schwert dem Pflug" im Osten Europas das Land erkämpfen. So kam es nach Hitlers Absicherung bei den Schlot- und Rüstungsbaronen an der Ruhr unter ihrem Anführer Krupp von Bohlen und Halbach am Vorabend des 30. Juni 1934 zur "Nacht der langen Messer". Die "Alten Kämpfer" wurden gemeuchelt, in Wäldern, an Mauern, der SA-Chef Ernst Röhm in einer Einzelzelle. Mit Sektfrühstücken feierten die deutschen Grafen das Morden, - das Tagebuch des Claus Graf Schenck von Stauffenberg belegt es. Das Buch jenes Mannes, der Ende des Zweiten Weltkrieges die Güter in Schlesien, Ostpreußen und Pommern mit Hilfe der Bombe in der Aktentasche, die dem Kriegsherrn die gebügelte Hose zerfetzte, vor dem Zugriff der Roten Armee, vor der Enteignung zu retten suchte.

Richards fürsorglicher Vater, Freiherr Ernst von Weizsäcker, der bis 1933 eher bescheidene Dienste in der Paßstelle des deutschen Konsulats zu Basel, als Gesandschaftsrat in Kopenhagen und Gesandter in Oslo geleistet hatte, macht plötzlich Blitz-Karriere. Mit Hitlers Machtantritt wird der Diplomat Direktor der Personalabteilung des Auswärtigen Amtes in Berlin, von wo aus befördert oder kaltgestellt wird.

Seinen Sohn Richard erlebt der spätere Generalsekretär der Freireligiösen Gemeinden Deutschlands, Dr. Dietrich Bronder, im Nobelviertel BerlinZehlendorf im "Jungbann 37 der Hitler-Jugend als Fähnleinführer - das war bei der vormilitärischen Ausbildung so eine Art Kompanie-Chef für zehn- bis vierzehnjährige Jungen. Aus dem wackren Schwaben ward ein Berliner. Noch sechzehnjährig erhält der junge Baron im März 1937 das Abitur-Zeugnis vom Direktor des Berliner Bismarck-Gymnasiums ausgehändigt. Üblicherweise war man bei vier Grundschul- und acht Gymnasialjahren erst mit achtzehn soweit. Ein Gemeinschaftswerk vom Vater, vom Sohn und dem eiligen Geist der Wehrhaftigkeit, der damals dieses Vorziehen erlaubte.

Den freiherrlichen Vater Ernst - dem wir den heute so verrissenen Konferenzvorschlag für das "Münchener Abkommen" verdanken - zählte Sven Hedin, schwedischer Forscher von Weltrang, neben Hitler, Göring, Himmler und Goebbels zu den "Mächtigen des Dritten Reiches". Der Weltbefahrene beschreibt eine Begegnung im Kriege so: "Herr von Weizsäcker hatte die wunderbare Eigenschaft, die Ereignisse der Zeit mit Optimismus zu beurteilen und der Zukunft mit hellen Hoffnungen entgegenzusehen. Er sprach offen und beherrscht über alle Dinge. "

Bald war der aus der kaiserlichen Marine überkommene Diplomat ganz oben, wird Staatssekretär und damit Stellvertreter des Reichsaußenministers, auch SS-General im Persönlichen Stabe Heinrich Himmlers. "Im Auftrage des Führers" holt er den Leichnam des ermordeten Legationssekretärs Ernst vom Rath aus Paris, darauf folgt die "Reichskristallnacht". Bei Kriegsausbruch drahtet Ernst von Weizsäcker den deutschen diplomatischen Missionen in aller Welt: "Dieser Verlauf Ereignisse zeigt klar volle Verantwortlichkeit Englands für Kriegsausbruch."

Bei den strengen Währungsbestimmungen der letzten Vorkriegsjahre mußte ein deutscher Kaufmann, der in Rotterdam geschäftlich zu tun hatte, umständlich bei Behörden um Devisen für zwei oder drei Tage Aufenthalt nachsuchen. Den siebzehnjährigen Richard schickte der Vater, mit seinem Frühabitur zwei Jahre vor Kriegsausbruch für die Sommermonate ins "perfide Albion" zu der Familie eines südenglischen Landarztes. Baden und Tennis waren angesagt und Mädchen wie Patricia Ede dabei. Des jungen Baron Wintersport fand beim französischen "Erbfeind" im Kreise junger Ausländer bei Grenoble in den Alpen statt.

Der Ernst des Lebens begann dann im Frühjahr 1938 nach diesem Tummeln in der Weltgeschichte am lieblichen Werbellinsee nördlich Berlins. Der Reichsarbeitsdienst hatte zum sechsmonatigen Graben und Schaufeln gerufen. Hier in der Schorfheide hatten Kurfürsten und Kaiser gejagt, dann Göring, dann Honecker, und bald werden es die Staatsgäste des Bundespräsidenten sein. Im Anschluß an diese drei Abstecher eilte der damals Achtzehnjährige im Oktober als Feiwilliger zu den Fahnen der Großdeutschen Wehrmacht, standesgemäß nach Potsdam zu dem christlich geprägten und traditionsbeladenen "Infanterieregiment 9" - der fast nur adligen Offiziere wegen vom gewöhnlichen Fußvolk verkürzt "Graf Neun" benannt.

Per Ehrenblatt in den Frieden

Auch Nichtpreußen wie Hitlers bayerischer Hofadvokat Hans Frank, später als Generalgouverneur und "Polen-Schlächter" zu traurigem Ruhm gelangt, konnten in diesem elitären Kriegshaufen als Reserveoffiziersbewerber "dienen". Zur Vereidigung auf den Führer orgelte es gewöhnlich in der Potsdamer Garnisonskirche für die christlich gedrillten Rekruten den "Choral von Leuthen". - "Hitler", schrieb Frank, zu der Zeit schon Chefjurist der NSDAP, "war in diesen Kreisen hoch geachtet, schon wegen der Wiederherstellung der Wehrmacht." Damaliger Regimentsadjutant Wolf Graf Baudissin schuf in den fünfziger Jahren das Leitbild vom "Bürger in Uniform" - ausgerechnet.

Dr. Friedrich Pflüger, langjähriger Pressesprecher des zum Bundespräsidenten Avancierten - während seiner Amtszeit heiratete von Weizsäckers Propagandist die Griechin Willy Brandts - erledigt in seinem 480-Seiten-Wälzer "Richard von Weizsäcker - ein Porträt aus der Nähe « dessen Soldatenzeit mit einem Satz: "Fast sieben Jahre seines Lebens mußte Richard von Weizsäcker als Soldat dienen, zumeist an der Ostfront. "

Wo lag nun beim Kommiß diese "Ostfront" für den dritten Sohn Richard des SS-Generals Ernst von Weizsäcker, dem vor dem Ersten Weltkrieg bei Kaisers Marine-Befehlshaber die Obliegenheiten zugefallen waren, dort für "Essen, Trinken und Musik" zu sorgen, dessen Ahn Gottlieb Weizsäcker im 18. Jahrhundert laut Martin Wein in Geschichte einer deutschen Familie« (auf Seite 1 dieses 575-seitigen Weizsäcker-Buches) als "Fürstlicher Mundkoch" die Gunst der Feudalen zu erhaschen versucht hatte? Im fernen Ostpreußen lag des jungen Freiherrn "Ostfront" und zwar beim Führerhauptquartier "Wolfsschanze", wo "die Berichte von Agenten ebenso wie die Protokolle der Vernehmung von Kriegsgefangenen zusammenliefen" (Martin Wein auf Seite 484). Hier wurden die aus- und eingehenden verbündeten Militärattachés empfangen, bewirtet und bei Laune gehalten, Rumänen, Ungarn, Italiener, Vichy-Franzosen, Spanier, aber auch neugierige neutrale Bulgaren, Portugiesen, Schweizer. Folgt man dem heute in Buenos Aires lebenden damaligen Goebbels-Referenten Wilfried von Oven, so standen bei wenigen Gramm Margarine und einem Ei pro Woche für das Volk im abgeschotteten Führerhauptquartier französische Cognacs und Pralinen, Obst und Südfrüchte erlesener Qualität in großen Schalen und jeder Menge herum. Den Umzug des Führerhauptquartiers nach Winizza in der Westukraine machte auch Richard von Weizsäcker mit und sein Biograph Wein vermerkt dazu ausdrücklich "Dienstfern der Heimat".

Die Seilschaft hielt: Richard von Weizsäckers Dienstvorgesetzter war General Gerhard Matzky; dieser wurde bei der Bonner Staatsgründung Inspekteur des Bundesgrenzschutzes. Chef der Operationsabteilung im Hauptquartier war Adolf Heusinger, der spätere Generalinspekteur der Bundeswehr. An der Spitze der Versager-Spionage "Fremde Heere Ost" stand Reinhard Gehlen; der baute zunächst für die US-amerikanische Besatzungsmacht und dann für Bonn die neue "Abwehr" auf. Es fällt schwer, Richard von Weizsäcker nicht für ein Hätschelkind des Nationalsozialismus Hitlerscher Prägung zu halten: Mitten im Kriege, Ende 1942, sehen wir ihn in der Schweizer Hauptstadt Bern, wo er den Neutralen antibolschewistische "Kriegserlebnisse" zum besten gibt.

Zurück bei der Großdeutschen Wehrmacht spielte er im besetzten Dänemark bei »Graf Neun« den neuen Regimentsadjutanten, der Oberst nennt ihn seinen "jungen Adler" warum weiß der Geier. Die Weihnacht wird betont christlich begangen: "Gott mit uns" im spätgotischen Dom von Aarhus. Hat der Domherr sich über den Besuch des aus seiner Kopenhagener Kinderzeit (Vater Ernst war dort deutscher Gesandschaftsrat) noch dänisch radebrechenden Offiziers von Weizsäcker gefreut, der ihm die Schäflein in Feldgrau heranführte!

Erwähnter Hofberichter Martin Wein erfindet auf der Seite 486 des zuvor genannten Buches eine Ende Juli 1943 südlich Leningrad geschlagene "zwei Wochen dauernde Schlacht, bei der fast 90% seiner Soldaten den Tod fanden. Richard von Weizsäcker bewährte sich."

Der Raum südlich Leningrad bildete im Sommer 1943 nach voraufgegangenen Abwehrkämpfen am Ladoga-See und vor Ausbruch der Roten Armee aus der Millionenstadt im kommenden Winter an der bis zum Schwarzen Meer hinunter zurückweichenden Ostfront einen Ruhe- und Haltepunkt. Kein Historiker weiß von derartiger Schlacht und jeder Adjutant der Verlustzahlen weiterzumelden hatte, kennt das Verhältnis: Auf einen Gefallenen kamen drei Verwundete. Verwunderlich, daß der beim Beginn des Rußlandfeldzuges zum Leutnant beförderte Richard von Weizsäcker auch nach dieser "Bewährung" im Sommer 1943 bei "neunzig Prozent Toten" immer noch ohne das zur Uniform eines Infanterie-Offiziers gehörige "EK I" herumlaufen mußte. Der hier Untersuchende wurde damals vor Leningrad mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet, war im Sommer 1943 im Infanterieregiment 399 Bataillonsadjutant und beschreibt diesen Sommer südlich Leningrad zehn Jahre später in seiner "Geschichte der 170. I. D." so: "Es folgten Monate des Stellungskrieges, die ruhig waren, in gut ausgebauten Bunkern, deren Decken den Kalibern standhielten."

Harte Kämpfe gab es 1945 im eingeschlossenen Ostpreußen. Der Verfasser kam dort schwerverwundet in russische Gefangenschaft und hörte hier sehr bald das Gemurre der Wochen später ebenfalls gefangenen "Graf Neun"-Landser über den Abgang ihrer adligen Offiziere. Die mit dem "von" im Zunamen desertierten; unverwundet suchten manche von ihnen per Lazarettschiff das Weite über die Ostsee. Der junge Baron und Hauptmann Richard von Weizsäcker setzte sich per Schiffs- und Bahnreise und auf mancherlei Umwegen ab bis an den Bodensee, hielt sich versteckt im Schoße und Schloße der Familie, dem die Gräfin von Eulenburg vorstand, die in diesen Wochen gerade ihr Gut Wicken in Ostpreußen an die Rote Armee verlor.

Unseren "Mann nach dem Herzen Gottes" erwischten die "Fliegenden Standgerichte", die ihn gemäß zeitangepaßtem Brauchtum am nächsten Baum aufgeknüpft hätten, nicht, und der frühere Staatsanwalt und Richter der Bundesrepublik, Dr. Karl Salm, wertet die Fluchtgeschichte in seinem Buche "Fahnenflucht - zum Fall Richard von Weizsäcker" als "Schlüsselerlebnis". Gelernt ist gelernt: Beim Herumziehen nach Kriegsende gerieten Reisende an "Zonengrenzen" leicht in irgendeine Gefangenschaft und seine weitere Flucht schildert die Gräfin Adelheid von Eulenburg so:

"Die Grenzwächter führten Richard von Weizsäcker in einen Raum, der voll besetzt war mit Leidensgefährten, unter ihnen eine hochschwangere Frau. Die Frau und er entschlossen sich, nicht dazubleiben; sie verabredeten, daß sie sich gegenüber den Wachleuten als "Verlobte" ausgeben wollten. Sie übten Namen und Daten, dann hob die Frau gewaltig an zu jammern, ihr Kind werde gleich geboren, so daß die erschreckten Wachleute sie rasch zur Weiterreise entließen und den "Verlobten" als Gepäckträger hinterher. Als Richard von Weizsäcker zurückreiste und wieder ohne Passierschein zur Zonengrenze kam, fragte er einen offensichtlich Verwundeten, ob er ihn über die Grenze tragen dürfe, nahm ihn auf den Rücken, und keiner von beiden wurde kontrolliert."

Die Fahnenflucht aus dem umkämpften Ostpreußen des April 1945 war gut vorbereitet worden, die Zeit der "Persilscheine" hatte eingesetzt. Beim Erwischtwerden durch Feldgendarmerie, sogenannte "Kettenbunde", konnte ein "Vorschlag für die Nennung im Ehrenblatt des Deutschen Heeres" lebensrettend sein. Der Offizierskamerad Rudolf von Knebel Doeberitz ließ so ein Papier vom Offizierskameraden von Langenn-Steinkeller zur Unterschrift dem schwer verwundet im Feldlazarett liegenden Regimentskommandeur reichen. Es heißt dort, der Hauptmann Richard von Weizsäcker habe "im Feuer aller Kaliber die letzten Männer seines Regiments durch härteste Maßnahmen 1,5 km weit vorgerissen". Hinter ihm an der Frischen Nehrung lagen die Lazarettschiffe.

Der Weltkriegs-II-Obergefreite Max Maler fragte beim Bundespräsidenten nach diesen "härtesten Maßnahmen", die eigentlich nur Erschießen auf dem Schlachtfeld bedeuten konnten. Mit "R. Weizsäcker" antwortete der Herr ohne das übliche "von" am 22. 7.1987: "Ich habe nie irgend jemanden ins Feuer getrieben, auch wenn dies jemand damals in einer mir unbekannten Aufzeichnung schrieb. Der Mensch ist so, wie er ist, und nicht so, wie andere ihn erscheinen lassen wollen."

Zu der "unbekannten Aufzeichnung" bekundet der frühere Major Rudolf von Knebel Doeberitz schriftlich: "Anfang der 80er Jahre erhielt ich aus dem Militärarchiv eine Kopie unseres Vorschlages vom 1. April 1945 und konnte diese dem Bundespräsidenten schicken."

Dr. Karl Salm, Verfasser der "Fahnenfluch", vor Gründung der Bundesrepublik in die CDU eingetreten und beruflich tätig gewesen als Staatsanwalt und Richter an einem Oberlandesgericht, stellt lapidar fest: "Einer von beiden lügt."

Volksverdummungsblatt "Bild" lügt nicht; nach Art des Hauses macht es beim Zitat des zweifelhaften Zeitdokuments an der Stelle "durch härteste Maßnahmen" drei Punkte. So erfährt Otto Normalverbraucher durch "Bild"-Balken auf Seite 1 am 16. Februar 1988: "Weizsäcker - Todesmut am Frischen Haff."

Im Frühjahr 1991 teilt Salm mit, es sei auch am »wesentlichen Inhalt der 2. Auflage (dem Bundespräsidenten gut genug bekannt) gar nichts geändert «, und "Sie können aus der jetzigen 2. Auflage zitieren", was hiermit geschah.

So wie Blüm von seiner Vor-Golfkrieg-Rede wegzukommen sucht, es mache "nur einen graduellen Unterschied, ob einer im KZ Hitler gedient hat oder an der Front", so streut der Baron Richard von Weizsäcker über seinen zunächst gerühmten unrühmlichen Abgang aus Ostpreußen seit der Aufstellung der Bundeswehr die verschiedensten Darstellungen. Dr. Salm stellt dar und widerlegt in seinem Buche die "Versionen 1-6", Im weiteren die "neuesten Versionen 7a, 7b, 7c" und zum "Psychogramm des Herrn von Weizsäcker" steuert er bei: "Treulosigkeit als geistiger Grundzug, Treulosigkeit, verbunden mit Unwahrhaftigkeit und das seelische Trauma aus der Fahnenflucht".

Die Zeitung für alte und junge Kameraden "Soldat im Volk", Sitz Bonn, versuchte die Weizsäckersche Dunkelheit aufzuhellen: Irgend jemand hatte den Bundespräsidenten für die Enthüllung des Bremer "Denkmals für den Kriegsunwillen« vorgeschlagen. Adel verpflichtet, und so gab dieser, wie Chefredakteur Zimmermann am 12. 1. 1990 berichtete, dafür rotes Stopplicht: "'War der Bundespräsident ein Deserteur?' Hierzu wollte ich in der letzten Ausgabe eine Veröffentlichung vornehmen, wurde aber über Staatssekretär von Hase vom Bundespräsidialamt gebeten, aus welchen Gründen auch immer, darauf zu verzichten."

Befehl war Befehl. "Semper talis" - "immer die Gleichen" - ist der "Graf Neun" -Standardspruch.

Mit Gott für "Agent Orange"

"Die Kurve gekriegt« hatten Ende des Zweiten Weltkrieges mit seinen 50 Millionen Toten auch Vater Ernst und Bruder Carl-Friedrich, Hitlers Atombomben-Forscher. Als der stellvertretende Außenminister Ernst Freiherr von Weizsäcker zum Botschafter beim "Stellvertreter Gottes auf Erden" in Rom erhoben wurde, hörte er bei seiner Abmeldung vom "Führer" einen Monolog über "die Macht des Papstes". Pius XII. kommandierte zu jener Zeit gut 400 Millionen Gläubige. Der mit der Mission Betraute pflichtete bei: "Ich begebe mich in Feindesland."

Einen wichtigeren Posten hatte das Auswärtige Amt zu jener Kriegszeit, wo Botschafter allgemein - wenn nicht das ganze Ministerium überhaupt - überflüssig waren, nicht zu vergeben. Zustimmung bei der "Bekämpfung des Bolschewismus" und Absegnung der Hitlerschen "Judenpolitik" zu erreichen, lautete der Befehl. Er wurde ausgeführt: Der "Stellvertreter" hielt stille, wie Rolf Hochhuth es überzeugend im gleichnamigen Schauspiel darstellt. Als dieser an seinem Stücke schrieb, wurden von Kohl und Christenpartei der pflegeleichte Sohn Richard von Weizsäcker gerade zum "Politiker" aufgebaut, und so bleibt Hochhuth beim Vater entsprechend zurückhaltend:

"Weizsäckers facettenreicher, unauslotbarer Charakter ist, künstlerisch gesehen, einer der faszinierendsten der Zeitgeschichte - es wäre unverantwortlich, diese Gestalt als Nebenfigur in einem Drama zu behandeln, weshalb sie hier lieber ganz ausgespart wurde."

Kein Jahr nach des Vatikan-Botschafters Abreise aus Berlin besetzten die in Italien von Süden vorstoßenden westlichen Alliierten die »Ewige Stadt «, kampflos rückten sie in Rom ein. Unbehelligt ließen sie den Freiherrn von Weizsäcker nebst Gattin in der , "Villa Bonaparte" wohnen, von wo das Paar dann in den "Palazzo del Tribunale" in der Nähe des Petersdoms umzog. Seine diplomatische Tätigkeit setzte Hitlers Spitzendiplomat im Vatinkanstaat unbehindert fort: Im August 1944 führte er dort Gespräche mit US-Botschafter Hugh Wilson und mit William Donovan, Chef des US-Geheimdienstes. Dabei ging es um ein Zusammengehen der westlichen Alliierten mit der an der Ostgrenze des Großdeutschen Reiches verteidigenden Wehrmacht. Gemeinsam solle man nach Osten vorrücken und dem "Weltfeind Nummer Eins", eben dem Bolschewismus, das Haupt in Moskau zerschlagen. Musik in den Ohren von Pius XII. und US-General Patton. - Präsident Roosevelt war jedoch nicht zu haben, der Generalissimus Stalin war ihm der "good old Joe".

Richards älteren Bruder Carl Friedrich, der nach dem Scheitern mit einer deutschen Atombombe den Konformismus als seinen größten Fehler bezeichnete, griff im April 1945 am Fuße der Hohenzollernburg in der Schwäbischen Alb die "ALSOS-Mission", eine US-amerikanische Spezialleinheit zum Aufspüren der deutschen Forscher. Sie erwischten auch Heisenberg und alle anderen und Carl Friedrich von Weizsäcker lieferte, was er hatte und wußte: die versteckten eineinhalb Tonnen Uran, das schwere Wasser für den Reaktor und die Forschungsberichte des "Uranvereins", die hinter seinem Hechinger Hause vergraben lagen. Drei Monate darauf fielen dann die beiden Atombomben auf die kapitulationsbereiten Japaner in Nagasaki und Hiroshima. Zu Heiligabend 1945 wurde allen diesen internierten deutschen Wissenschaftlern die Freiheit auf den Gabentisch gelegt. Anfang März 1946 finden wir Carl Friedrich in der Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingens. Werner Heisenberg, Otto Hahn, Max Planck sind schon da. Bei den Arbeiten an dem 1991 von Wolfgang Menge vorgespielten Film vom Wettlauf um die A-Bombe, "Ende der Unschuld", befragt der Drehbuchautor den Carl Friedrich von Weizsäcker zunächst schriftlich. "Habe keine Zeit", antwortet der. Und auf Nachfrage: "Das ist lange her und interessiert mich nicht mehr. «

Den Bruder Richard, den die Besatzer als Deserteur aus der Großdeutschen Wehrmacht von jeder Gefangenschaft in französischen Kohlengruben freigehalten hatten, nahm in Göttingens nobler Bunsenstraße 16 eine für Wissenschaftler freigemachte Wohnung auf. Der 26jährige beginnt sein JuraStudium und der Wohnungsinhaber Carl Friedrich übersiedelt in Anbetracht seiner Verdienste bald in "Gods own country", in die USA.

Vater Ernst reist während dieser ersten Nachkriegsjahre hin und her zwischen seinem Exil im Vatikanstaat und Nürnberg, wo Ende 1945 die Kriegsverbrecherprozesse begonnen hatten: - als Zeuge, bei Zusicherung freien Geleits. Mit dieser Freistellung war es im Juli 1947 aus, nachdem zuvor im Frühjahr einige Zeitungsartikel über Weizsäckers Beteiligung an Eichmanns Juden-Deportationen und über seine Paraphe auf dazugehörigen Dokumenten erschienen waren. Der frühere Leiter der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes, Friedrich Gaus, begann damit, seinen einst vorgesetzten Ex-Staatssekretär zu belasten, und der US-amerikanische Hauptankläger Robert M. W. Kempner - als jüdisch-blütiger Oberregierungsrat nach Hitlers Machtübernahme emigriert - erinnert sich, daß der Freiherr "nach anfänglichen Ausflüchten sagte: 'Ich bin erschüttert.'"

In der Einzelzelle forderte er die Bibel an und später die Werke des Kirchenlehrers Augustinus. Sonntägliche Gottesdienste in der Gefängniskirche ließ er nie aus.

Der in Göttingen die Rechte studierende Sohn Richard wurde zur Verteidigung zugelassen, - eine weitere Besonderheit im sogenannten "Wilhelmstraßen-Prozeß" (in dieser Berliner Straße befand sich der Sitz des Auswärtigen Amtes). Die Linie von Vater und Sohn war einfach, warf das Gericht aber nicht um: "Wie konnte ein Mann, der Juden aus Frankreich nach Auschwitz verfrachten ließ, wissen, was dort hinter dem Stacheldraht geschah? Mußte der Deportierer nicht glauben, eine gute Tat zu tun, wenn er diese Verfolgten mit dem gelben Stern auf dem Mantel vor rabiater französischer Polizei wegschaffte?"

Der Industrielle Ernst Boehringer legte sich für den gefangenen Ernst von Weizsäcker ins Zeug, dichtete nach dessen erstem Knastjahr im November 1948 für den Freund: "Dich halten sie fest in engem gewahrsam und spähen - Blätternd ob wo eine zeile zu deinem verderben - Deutelbar sei ..."

Die Sieger-Richter deuteten die Schriftstücke und verhängten im Frühjahr 1949 gegen Hitlers einstigen Spitzen-Diplomaten sieben Jahre Gefängnis wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit - wegen Mitwirkung an Juden-Deportationen."

Im Jahre darauf legt Sohn Richard von Weizsäcker sein Referendarexamen ab; zu gleicher Zeit ist er Herausgeber der weißwaschenden "Erinnerungen" seines Vaters. Nach nur sehr kurzer Tätigkeit beim Oberlandesgericht in Celle holt ihn die "Wirtschaft", bringt ihn Mannesmann in Gelsenkirchen als Rechtsberater unter. Den führenden Rechtsanwalt des Konzerns, Günter Geisseler, hatte Hilfsverteidiger Richard von Weizsäcker in Nürnberg kennengelernt, wo gleichzeitig Alfried Krupp von Bohlen und Halbach verteidigt worden war, Hitlers Steigbügelhalter bei der "Nacht der langen Messer", in der Ernst Röhm und Kameraden gemeuchelt wurden.

Dieser Job bei Mannesmann ließ dem jungen Freiherrn genügend Zeit, das Referendariat beim Amtsgericht Gelsenkirchen, beim Landgericht Essen und schließlich beim Oberlandesgericht Hamm fortzusetzen. So legt er 1953 in Düsseldorf das Assessorexamen ab, heiratet die zwölf Jahre jüngere Marianne von Kretschmann, Tochter des Direktors vom Benzol-Verband. Ernst von Kretschmann, ihr Onkel, war als SS-General im sowjetischen Konzentrationslager Hohenschönhausen zu Tode gefoltert worden.

Aller Welt und Halbwelt imponierte der junge Aufsteiger Richard mit seinem knallroten DKW-Cabrio. Mit 35 Jahren wird dem nunmehrigen Ehemann dann in Göttingen der Doktor-Titel verliehen. Damit wechselt er die Firma, wird Banker, tritt als "persönlich haftender Gesellschaftee" bei Waldthausen und Co. KG in Essen und bei Waldthausen und Co. in Düsseldorf an. Fritz von Waldthausen ist der Großvater der Angetrauten.

So mit Hilfe von Freunden und Verwandten zum »Wirtschaftsführer« herangereift, holt unseren «Mann nach dem Herzen Gottes« Anfang der sechziger Jahre der alte Freund der Familie Ernst Boehringer nach Ingelheim an die Spitze des Chemie-Konzerns (1859 in Stuttgart gegründet), auf daß er dort das Lebenswerk des Alternden fortführe. Beim Handelsgericht Bingen wird unter "HR A 327" eingetragen, wie der Zweite im Konzern zeichnet: "C. H. Boehringer Sohn Weizsäcker".

Eine weiträumige Villa in Ober-Ingelheims Stiegelgasse wurde mit Ikonen vollgehängt, - immer weiter "Gott mit uns", wie schon auf dem Koppelschloß des jungen Potsdamer Soldaten angezeigt.

Seiner Zeit mit der gewerkschaftlichen Forderung nach der 35-StundenWoche weit voraus, wurde im Anstellungsvertrag vereinbart: "Zwei-Drittel-Arbeitszeit".

Das restliche Drittel gehörte der "Kirchenarbeit"; Übelmeinende vermuten: "der public-relation-Arbeit" zur Absegnung der Gift- und Waffengeschäfte. Wie auch immer - der bald erworbene Posten "Präsident des Evangelischen Kirchentages" ist den Dioxin-haltigen Geschäften, die allein in Hamburg bisher 130 Mitarbeitern den Krebs brachten, sicherlich nicht abträglich gewesen, - eine Personalunion besonderer Qualität, das läßt sich wohl doch nicht von der Hand weisen.

Richard von Weizsäckers Biographen zitieren den Hausjuristen Lachenal, wonach auf den Freiherrn "als entscheidendem Mittelpunkt der Firma alles zukam". Die Redakteure des Westdeutschen Rundfunks Werner Filmer und Heribert Schwan schreiben in ihrem Buch "Richard von Weizsäcker - Profile eines Mannes" (ECON, Düsseldorf 1984): "Keine wichtige Unternehmungsentscheidung fiel ohne Weizsäckers Einwilligung. «

Und jetzt wird es kriminell: Wegen "Völkermord" ermitteln Staatsanwälte - gegen den bis 1994 gewählten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Es wird zitiert aus der Strafanzeige des früheren Mannheimer Amtsgerichtsdirektors Rudolf Deichner vom Dezember 1989:

"... Als der amerikanische Chemiewaffenhersteller DOW CHEMICAL 1964 in Lieferschwierigkeiten geriet, half Dr. Richard von Weizsäcker aus und lieferte den Amerikanern ein modernes Verfahren zur Herstellung von Zutaten für den Kampfstoff "Agent Orange".... Der Völkermord geschah in der Absicht, eine Gruppe von Menschen in Laos und Vietnam als solche ganz oder teilweise zu zerstören. ... Damit war der weltweite Aufschwung von Boehringer besiegelt ... ein Boehringer-Mann notierte: "Solange der Vietnam-Krieg andauert, sind keine Absatzschwierigkeiten zu erwarten." ... Tatsächlich ging unter Weizsäcker die Weiterentwicklung des Hauses Boehringer steil nach oben. Der offizielle Hauptlieferant für "Agent Orange", Dow Chemical in Midland/Michigan, lobte den großartigen Kooperationsgeist«, den der Boehringer-Konzern zeigte.

Der inzwischen abgemusterte Seemann Uwe Krüger schwängerte eine Vietnamesin; auf ihr Gebiet wurde "Agent Orange" gesprüht und sie gebar ihm ein verkrüppeltes Wesen, das bald starb. Am 7. September 1990 erschien der Bundespräsident Richard von Weizsäcker zur Feier des 250. Geburtstages des Dichters Matthias Claudius in der Aula der Rudolf-Steiner-Schule Hamburg-Farmsen, die etwa eintausend Personen Platz bietet. Die Besucher waren vom Bezirksamt Hamburg-Wandsbek mittels Polizei-Computer sorgfältig ausgewählt worden; etwa einhundert Plätze blieben frei und nicht genehmen Nachfragern war geschrieben worden: "leider alle Karten bereits vergeben". Am Haupteingang verteilte der betroffene Krüger sein Flugblatt: ganz einfach und ohne Kommentar die Bescheidung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 13. 8. 1990 zu "5 Js 96936/89 - Anzeigesache gegen Bundespräsident Dr. Richard von Weizsäcker wegen "Beteiligung am Völkermord" und anderer Straftaten".

Die Presse bekam das gelbe Blatt, der Erste Bürgermeister Voscherau nahm dankend, ebenso der frühere Hamburger Polizeisenator Pawelczyk und eine Riege von Bürgerschaftsabgeordneten. Die Staatskarosse des Herrn Präsidenten raste heran, nach Meinung der Schüler, die ihr Oberhaupt nur freundlich begrüßen wollten, mit einem "Affenzahn". Unter ihren Unmutsäußerungen verließ der Gastredner seinen dunkelblauen Panzer-Mercedes-500 und erklärte dem "Abendblatt"-Reporter: "Die Zeit drängt, ich muß in den Saal." Dort blieb ein Großteil der Besucher bei der standing ovation mit dem gelben Zettel in der Hand sitzen. "Der Blumenschmuck für das Rednerpult des Bundespräsidenten Herrn Dr. Richard von Weizsäcker, so hieß es auf der Glanzpapier-Einladung, wurde von der Firma Blumen-Reimers zur Verfügung gestellt. « Eilig wurde plötzlich alles abgeräumt und am nächsten Tage wunderte sich das Hamburger Abendblatt: Richard von Weizsäcker hielt weder eine Festansprache noch eine Laudatio auf den Dichter ... «

(Anmerkung: Jener Flugblattverteiler ist identisch mit "Brutus Bärbeiss" aus dem Kapitel 41 in "Die Rechtsbeugermafia", die auf dieser Homepage ebenfalls präsentiert wird. Die Zusammenhänge sind verblüffend und bestürzend. Es wird offenbar, welche staatskriminellen Fäden im Hintergrund zur Abstrafung solcher Dissidenten gezogen werden. Und wir dachten, damit sei am 8.5.1945 endgültig Schluß. Weit gefehlt! Damals war es das KZ, heute ist es Psychiatrisierung durch Entmündigung bzw. Betreuungsverfahren und zwar in einem sozialdemokratisch regierten Land zu Gunsten eines CDU-Rotariers!!!)

Ähnliches geschah in Leipzig einen Monat darauf. Am 10. Oktober 1990 bringt "Die Leipziger Andere Zeitung" den Titel Völkermord verjährt nicht und unter dem Präsidenten-Foto diesen Text: "Richard von Weizsäcker in der Nikolaikirche. Immer noch Schweigen zu den möglichen Verstrickungen in Waffenhandel", und weiter im Text: "Der Präsident der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Richard Freiherr von Weizsäcker, ist verwickelt in die Giftgasproduktion des dioxinhaltigen Kampf-Stoffes »Agent Orange« für den Vietnamkrieg und in die Rüstungsexporte deutscher Firmen in den Irak. So lauten die öffentlichen Anklagen, die Jochen Läßig am vergangenen Sonntag in der Leipziger Nikolaikirche vortrug. Er konnte seine Rede nicht beenden... "

Bereits ein Jahr zuvor hatte - ohne den Namen von Weizsäcker zu erwähnen - die Hamburger "ZEIT" am 3. März 1989 mit den schrecklichen Bildern verstümmelter Vietnam-Kinder berichtet: "Das Gift wirkt über Generationen hinaus.... Mehr als 50000 Betroffene haben Schadenersatzforderungen an den Hersteller von Agent Orange gestellt ... "

Wo es Kriegsverbrechen gibt, da sind Kriegsgewinnler nicht weit. Aus Vietnam zurückgekommene europäische Ärzte berichten, was sie dort in Krankenhäusern als "Agent Orange"-Folge in Glasbehältern sahen: menschliche Föten mit Zyklopenaugen, ohne Arme, ohne Beine, ohne Hälse, mit Riesenköpfen.

Am 6. Juli 1990 veröffentlichte das "HamburgerAbendblatt" ein Gutachten über das nach vielerlei Kampf stillgelegte Chemie-Werk "C.H. Boehringer in Hamburg-Billbrook" mit der Überschrift: Krebs, Bronchitis, Selbstmord "Die Fabrik des Todes".

Der streitbare und bekannte Umweltschützer Ernst-Otto Cohrs (Rotenburg/Wümme) teilte am 20. August des gleichen Jahres dem früheren Firmen-Geschäftsführer Richard von Weizsäcker in einem unbeantwortet gebliebenen Briefe die Zahlen zu den 1520 untersuchten Mitarbeitern mit: über 20 Selbstmorde und über 130 "elendiglich an Krebs und Leukämie Verstorbene", - bis dahin.

Bei der Claudius-Veranstaltung im September 1990 in Hamburg versuchte der Chef der Bonner Präsidenten-Leibwächter dem Flugblatt-Verteiler klar zu machen: "Natürlich ist das abgesprühte Gift ein schreckliches Geschehen. Aber konnte damals Präsident von Weizsäcker wissen, was die Amerikaner damit machen würden?" Darauf konterte Uwe Krüger: "Konnte sein Vater damals wissen, was in Auschwitz mit den angelieferten Juden geschah?"

Auch der Koblenzer Oberstaatsanwalt Hennerkes, an den der Stuttgarter Staatsanwalt Engstler abgegeben hatte, verharmlost unter dem Aktenzeichen 105 AR 16/90:

"Es ergeben sich keine entsprechenden tatsächlichen Erkenntnisse, die auf das Wissen des Angezeigten von einem Genozidplan hindeuten würden. Die Vereinbarung zwischen Vertretern der Firmen Dow Chemical, Midland, und Boehringer, Ingelheim, betrafen die Lieferung eines modernen Herstellungsverfahrens des als Entlaubungsmittel getarnten Kampfstoffes Agent Orange. Es ist auszuschließen, daß hier bei auch die Ziele und die militärische Strategie der Vereinigten Staaten von Amerika bei den kriegerischen Auseinandersetzungen in Vietnam Gegenstand der Besprechung waren. ... Mithin bedarf es nicht mehr einer Auseinandersetzung mit den weiteren Fragen der Ursächlichkeit bezüglich der Lieferung des Herstellungsverfahrens für die von Ihnen geschilderten Folgen in der Zivilbevölkerung Südvietnams und der Beteiligung des Angezeigten ... «

Mannesmut vor Fürstenthronen ist nicht die Regel bei deutschen Justizherren, und so vermutet die "Lebensschutz-Information" (Vlotho, April 1991) - einst von CDU-Anhängern ins Leben gerufen - wohl zu Recht die bekannte "lange Bank" der Ermittler:

"Deichner weist anhand umfangreicher Recherchen nach, daß dieses Gifit zur Zeit der Weizsäcker-Aegide bei Boehringer in Kooperation mit der US-ChemieWaffenfirma Dow Chemical während des Vietnam-Krieges tankerladungsweise ins Mekongdelta verschifft wurde. "Agent Orange" wurde sowohl mit Kampfhubschraubern, wie von B 52-Bombern über riesige Flächen des vietnamesischen und laotischen Tropenwaldes versprüht. ... Zehntausende von Menschen wurden von dieser chemischen Keule getötet. ... Noch heute, nach weit mehr als zwanzig Jahren nach dem Einsatz des Dioxin-Giftes "Agent Orange" werden in Vietnam, Laos und Kambodscha schwer bis schwerstbehinderte Kinder geboren, geistige und körperliche Krüppel. ... Deichners Anzeige liegt seit langem dem Bundesverfassungsgericht vor, wurde angenommen, bisher aber noch nicht entschieden. «

Wenn etwas nicht in den Massenmedien steht, dann kann es nicht geschehen sein, - "weil nicht sein kann, was nicht sein darf". So sieht es durch Wegsehen im Juni 1990 der Stuttgarter Bürgermeister nach der Ernennung Richard von Weizsäckers zum "Ehrenbürger" der schwäbischen Hauptstadt: "Die Tatsache, daß in der Tagespresse weder über diese Verfahren noch gar über eine etwaige Verurteilung des Bundespräsidenten etwas zu lesen war, bestärkt die Zweifel an der Richtigkeit der Behauptungen ... "

Auch dem Bundesverband der Deutschen Industrie werden staatsanwaltliche Ermittlungsbescheide betreffend Boehringer und Weizsäcker zugänglich gemacht. Der Verband bedankt sich am 22. 2. 1991 aus Köln so: "Ihren Zitaten entnehmen wir, daß Sie offenbar Einblick in staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren haben. Der Tenor Ihres Schreibens läßt erkennen, daß Sie auf Unterlagen gestoßen sind, die den Bundespräsidenten belasten. Dieses Vorgehen ist vergleichbar mit dem sog. Enthüllungs-Journalismus, der sich auch zum Ziel gesetzt hat, durch Zitate aus amtlichen Dokumenten oder Wiedergabe von Firmenunterlagen das Ansehen nicht nur einzelner Unternehmen, sondern der gesamten deutschen Industrie zu schädigen."

Betrachten wir den gerügten "Enthüllungsjournalismus" am Beispiel "STERN", der bei früherer Gelegenheit mit seinen "Hitler-Tagebüchern" einem Millionen-Publikum nicht gerade das Gelbe vom Ei aufgetischt hatte. Hier nun das Ergebnis der dem Blatte im Februar 1991 gleichfalls übermittelten staatsanwaltlichen Erkenntnisse, - in der Form eines "STERN"-Leserbriefes vom 21. Februar: Statt "Boehringer" und "Richard von Weizsäcker" werden zu Geschäftemachern des Todes "Die Deutschen ..."

Der "STERN" befindet, er habe "gekürzt", der falsch Zitierte meint, da sei etwas "getürkt". Und der eingeschaltete und schließlich vom "STERN" gelöhnte Rechtsanwalt erklärt: "substantielle Veränderung". Anhand des am Schluß abgedruckten "STERN"-Briefes vom 9. April 1991 möge der geneigte Leser selbst entscheiden, ob wir "bei der Würde des Staatsoberhauptes" in diesem unserem Lande einen "Enthüllungsjournalismus" oder aber einen "Verhüllungsjournalismus" haben.

Sitz und Stimme bei Bosch, Teldix, Vulkan

Über Boehringer-Tätigkeiten seines freiherrlichen Bundespräsidenten verliert der autorisierte Biograph Dr. Friedbert Pflüger in seiner knapp 500 Seiten starken Lobeshymne "Richard von Weizsäcker" (Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1990) nur wenige Sätze:

"Er entwickelte große Hochachtung für Boehringer. ... Nach dem Tod Ernst Boehringers entschloß er sich, die Firma zu verlassen. Der Abschied von Boehringer bedeutete zugleich den Abschied von der Tätigkeit in der Wirtschaft, von Weizsäcker ohnehin nur als Übergangsphase in seinem Leben angesehen. Er war als Manager und Bankier erfolgreich gewesen, aber wirklich befriedigt hatte ihn diese Arbeit nicht. "

Über das, was der Stuttgarter Staatsanwalt Engstler im August 1990 mit "andere Straftaten" bezeichnet, finden wir bei Pflüger kein Wort. Es geht dabei um Verfilzungen mit und Beteiligungen an Firmen, die Waffenhandel betrieben, auch mit dem Irak, und die diese Geschäfte mit dem Tode auch weiterhin betreiben. Wenn schon kein anderer, dann hilft auch hier der frühere Amtsgerichtsdirektor Rudolf Deichner nach, jetzt Anfang fünfzig und - man ist versucht zu sagen: natürlicherweise - bereits aus dem Staatsdienst geschieden worden.

"Ein Hauch von Al Capone liegt in der Luft", " Tag für Tag werden seine Untaten bekannter"; - diese Sätze des Mannheimers machen die Runde und Deichner fordert die Staatsanwälte auf: "Die Aktivitäten des Bundespräsidenten Dr. Richard von Weizsäcker in seiner Eigenschaft als Waffenproduzent und Waffen/Kampfstofflieferant sind aus allen in Betracht kommenden strafrechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere des Völkermordes, zu überprüfen."

Beginnen wir die Untersuchungen dieser Nebengeschäfte bei der Robert Bosch GmbH in Stuttgart. Rudolf Deichner führt am 10. Oktober 1990 in der "DAZ" ("Die Leipziger Andere Zeitung") unter der Überschrift "Schwerter zu Flugzeugen" unter dem Punkte "Verflechtungen" aus:

"Der Bundespräsident ist seit 1974 mit 13,89 % an der Robert-Bosch-Stiftung GmbH (Stuttgart) beteiligt (Nr. 109 Handelsregistergericht Stuttgart). Die Robert-Bosch-Stiftung GmbH hält bei der Robert Bosch GmbH Geschäftsanteile in Höhe von insgesamt 712.920.000,00 DM (Handelsregistergericht 2452 - AG Stuttgart). Das Stammkapital der Robert Bosch GmbH beläuft sich auf 800.000.000,00 DM. Weizsäcker ist demnach mit 99.024.588,00 DM an der Robert Bosch GmbH beteiligt. Die Bosch GmbH war zusammen mit der Allianz- Versicherungs A G (Berlin-München) mit 58,8% an der ABM-Beteiligungsgesellschaft (München) beteiligt (Commerzbank "Wer gehört zu wem" 1985, Nr. 27, S. 19). Weizsäcker war Mitglied des Aufsichtsrates der Allianz-Lebensversicherung AG. Die ABM-GmbH hielt 19,02% an der MBBGmbH. Nach dem Gesellschaftervertrag der MBB-GmbH bedarf es für unternehmenswichtige Entscheidungen einer Mehrheit von 82 %. «

Bereits einen Tag vor dieser Veröffentlichung wußte am 9. Oktober 1990 "die tageszeitung" in Berlin:

"Seit 1974 ist Richard von Weizsäcker mit 13.89% an der Robert-Bosch-Stiftung GmbH beteiligt. Angeblich ruht seine Gesellschaftertätigkeit seit seiner Wahl am 23. Mai 1984 zum Bundespräsidenten. Doch das notarielle Protokoll einer Gesellschafterversammlung der Robert-Bosch-Stiftung GmbH vom 19.11.1987 in Stuttgart (Urkundenrolle Nr. 4317/1987 K) führt als teilnehmenden Gesellschafter Herrn Richard von Weizsäcker auf; und gemäß eben diesem Protokoll "beschließen die Gesellschafter einstimmig" diverse Vorlagen. Erst im April 1989 stellt der Notar urplötzlich und reichlich verspätet "in Ergänzung der Niederschrift vom 19.11.1987" fest, daß sich der Gesellschafter Weizsäcker an der Abstimmung nicht beteiligt habe. Dem Staatsoberhaupt ist jeder Nebenerwerb gesetzlich untersagt. ... Weizsäcker selbst bereicherte die Protokoll-Ungereimtheiten seinerzeit um ein drittes Papier, nämlich die private Mitschrift eines Aufsichtsratsmitgliedes, die den Präsidenten als Gast "auflistet".

Das von Irak gegen Kurden versprühte Giftgas kam aus den 60 Kampfhubschraubern, die MBB geliefert hatte. Das wird belegt und bestätigt einmal durch das Londoner "Institut für strategische Studien" und zum anderen durch die Menschenrechtsorganisation "Gesellschaft für bedrohte Völker". Unter den "Verflechtungen" zählt die "DAZ" im oben angeführten Artikel weiter die Teldix GmbH in Heidelberg auf :

"Im Geschäftsbericht 1986 ist die Teldix GmbH (Heidelberg) als 99%ige Tochtergesellschaft der Robert Bosch GmbH ausgewiesen. ... Das Teldix-Erzeugnisprogramm ist überall dort anzutreffen, wo sich die Präzision der Mechanik mit der Intelligenz der Mikroelektronik verbindet. ... Bei dem "Alphajet" handelt es sich um den Erdkampfbomber der Iraker, über den der "STERN" am 23.8.1990 berichtete. Bei "Roland" geht es um das Flugabwehrsystem, das die MBB GmbH nach der Feststellung des ARD-Fernsehmagazins Monitor in den Jahren 1982 bis 1986 über die Tochtergesellschaft Euromissile an den Irak lieferte."

Dem hier Untersuchenden liegt eine Liste "TELDIX-Participation in Defence Programs" vor, bei der die Meinung aufkommen kann, der Iraker habe doch in "defence", in Selbstverteidigung, gehandelt. "Air" neben "Tornado", "Alpha-Jet", "Hawk" die Beteiligung an einem Dutzend weiterer ähnlicher Waffensysteme. "Land": außer an den Panzern "Roland" und "Gepard" entscheidende Mitwirkung bei "trading plotters" und "special vehicles" für Giftgaskrieg. "Sea": Da laufen "torpedos" und "surface and subsurface vessels" vom Stapel.

Bei diesen "Milliarden-deals" fällt dann die Beteiligung beim Bremer "Nachrüster" Vulkan AG mit einem Verfahren wegen "Kapitalerhöhungsbetrug" wegen lächerlicher 197 Millionen Mark nicht mehr sonderlich ins Gewicht. Ebensowenig wie Richard von Weizsäckers Banker-Posten als "Beirat" bei Hill/Samuel in Frankfurt am Main.

 

Marmorglatt zu "every body's darling"

Die guten Freunde und die getreuen Nachbarn sind dem derzeitigen Präsidenten der umgewandelten vier Besatzungszonen auf dem Wege aus seinem Lindauer Versteck 1945 bis zu seinem Einzug ins Bonner Palais 1984 das auserwählte Volk Gottes in Israel und die Supermächtigen jenseits des großen Teiches in Gottes eigenem Land. Diese beiden waren dem Freiherrn von Weizsäcker beim Kampf ums Dasein goldene Kälber, die ihm seinen ungeheuren Reichtum bescherten und die ihn mit dem Segen der Hofberichter aller Welt in Presse, Rundfunk, Fernsehen geradezu überschütteten. So steht er da, marmorglatt, kalt lächelnder Sieger, zugleich beförderter Rückschritt mit der Bibel unter'm Arm auf dem Sockel seines frommen Betruges.

"Wer euch antastet, der tastet Seinen Augapfel an. - Sacharias 2.12 -Richard von Weizsäcker - 8. Oktober 1985 ", - das steht handgeschrieben im Gästebuch Jad Washem in der Nähe von Jerusalem. Der Glaube an die Auserwähltheit nur eines Volkes durch Gott ist von Anbeginn rassistisch. Von jeher war der Philosemitismus der Vater des Antisemitismus, - das ist längst Einsicht aller jüdischen Denker der neuen Schule, die auf Normalität und Gleichheit unter Gleichen drängen.

Heimkehr der "Auserwählten" in das Land der Väter nach zweitausend Jahren, dieser geschichtlich einmalige Vorgang als Folge Hitlerscher "Judenpolitik" ist dem Präsidenten-Besucher im "Heiligen Land" ein Selbstverständnis. Das Existenzrecht Israels wird von nahezu keinem, auch hier nicht, bezweifelt. Jedoch: Wäre es nicht längst an der Zeit gewesen, nur einmal ein kleines Wörtchen einzulegen für einen Staat der ab Ende des Zweiten Weltkrieges vertriebenen Palästinenser? Ein einziges Wort zur inzwischen allen bekannten Forderung an die Verweigerer der UNO-Resolution 242 "Land gegen Frieden"?

Nicht nur die Palästinenser, auch wir Deutsche haben uns abzufinden. So klingt es am 8. Mai 1985 zum vierzigsten Jahrestag der Kapitulation, als die Deutschen auf Straßen und Plätzen noch nicht ihre Einheit erkämpft hatten. Der Präsident zitiert aus der Bibel und auch einen Kardinal: "Das trostlose Ergebnis der Sünde ist immer die Trennung."

Immer noch ist dem Vordenker der "besonderen Beziehungen zu Israel" auf seinen zahlreichen Reisen gen Osten nichts eingefallen zum abgetrennten sowjetisch besetzten Königsberger Gebiet, das nach der bevorstehenden Freiheit für Litauen keinerlei Landverbindung zur Sowjetunion mehr haben wird.

Während des Kalten Krieges kämpften die US-Amerikaner mit "Rosinenbombern" für Berlin, der "Insel im Roten Meer", - das ist richtig. Nicht jedoch eigener Interessen wegen, so will es Präsident von Weizsäcker uns glauben machen, sondern um unserer blauen Augen willen: "Als nach dem Krieg die Berliner in Bedrängnis kamen, ihrer Freiheit beraubt, ausgehungert und politisch erpreßt werden sollten, haben Amerikaner bewiesen, was es heißt, die eigene Freiheit verantwortlich für andere einzusetzen."

Das war 1984 nach Antritt des Präsidentenamtes die erste Erleuchtung. Die Krieger um Öl am Golf bekamen Hausbesuch; das war 1991, und die in der Bundesrepublik zurückgebliebenen Frauen der GIs hörten es tönen in ihren Wohnzimmern: "Ich werde nie vergessen, was die USA für uns getan haben. Ich werde nicht aufhören, meine Dankbarkeit gegenüber dem amerikanischen Volk zu fühlen und auszudrücken." - Rose Davies befand: "Er macht so einen netten, aufrichtigen Eindruck." - Und der Heimatkrieger Oberstleutnant Richard Bridges pflichtete ihr bei: "Er kommt einem König gleich."

Baron von Weizsäcker entschuldigte sich dafür, daß Bundeswehrsoldaten nicht im Getümmel dabei seien, da gäbe es "Hemmnisse" (womit er das inzwischen beim Minenräumen im Persischen Golf gebrochene Grundgesetz meinte). Daß er "Hemmungen" bei deutschem Blut für Öl habe, das sagte er nicht, meinte er wohl auch nicht.

Gesungen hatten sie gefühlvoll und lieblich, die Kinderlein, als Herr Präsident und Gattin ganz in weiß am 23. Mai 1989 zur Feier der Wiederwahl auf dem Balkon hoch oben dem Chore lauschten: "Er ist da, er ist da, in seiner Gloria.. "- Rita Süßmuth wußte anschließend auch etwas zur Geschichte, wenn auch Richtiges und Falsches zusammen: "Sein Vater wurde zwar verurteilt" (richtig), "aber bald danach rehabilitiert" (falsch).

Ihr Demokratieverständnis erläuterte sie an diesem festlichen Tag so. "Der Präsident Richard von Weizsäcker nimmt eine Sonderstellung ein", dann blickte sie in den Saal: "Ich sehe keinen Widerspruch" und darauf: "Dann ist dieses so beschlossen."

Im Amte bestätigt, zum zweiten Male gewählt, diesmal bis 1994 - mit 881 von 1038 Stimmen. Als eine der ersten drängte sich die Pastorentochter Antje Vollmer von den Grünen nach vorne, zum Gratulieren; es fehlte der Hofknicks.

Schon vorher hatte der "SPIEGEL" von einem "Ersatzkaise" gewußt:

".. Viele Deutsche benutzen den neuen Mann als Projektionsfigur ihrer heilen Kinowelt."

Würde der Präsident vom Volke gewählt - die Stimmen der Millionen "Bild"Leser hätte er sicher. Die christlich ausgerichtete Allensbacher DemoskopieChefin Elisabeth Noelle-Neumann horchte hinein: "Kein Schatten auf dieser Gestalt."

Für Richard von Weizsäckers publizistische Wegbereiterin, die Gräfin Dönhoff von der "ZEIT", stand der Mann zeitlebens "vor immer neuen Abgründen".

Und er selbst sieht seine Tätigkeiten bei Schwiegeropa von Waldthausen als Banker und bei Vaters Freund Boehringer als Geschäftsführer und seinen schließlichen Aufstieg zum Präsidenten der Republik schlicht ganz einfach so: "Ich habe mir meinen Weg selber erarbeitet. In der Wirtschaft fragt doch niemand danach, was man für einen Namen hat."

In der berühmt-berüchtigten Kapitulationsrede des Bundespräsidenten vom 8. Mai 1985 fand der hier Berichtende ganze Sätze, die er zuvor bei Frau Vollmer gelesen hatte. Auf Nachfrage antwortete ihm der Pressesprecher Dr. Friedbert Pflüger vom Bundespräsidialamt am 1. Oktober 1985 dieses: "Allerdings hat er im Hinblick auf die Rede mit Verbänden und Parteien Gespräche geführt, darunter auch Dr. Vogel, Dr. Dregger, Herr Mischnick und Frau Vollmer."

In der Verwirrung ist das Deutsch des Sprechers verwirrend, aber der Mann war ja Sprecher und nicht Schreiber. Für uns ist bemerkenswert, wie von verschiedenen Seiten - auch Verbänden - an Reden dieses Präsidenten geschliffen wird, bis sie schließlich allen erbaulich klingen.

"In die Politik gebracht", das hatte bei der Wiederwahl die Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth dem Hohen Hause verkündet, "hat den Bundespräsidenten unser Kanzler Helmut Kohl. Er hat ihn nach Rheinland-Pfalz gebracht, hat ihn dann nach Berlin geschickt." Unter den Zuhörern sahen wir im Fernsehen bei der Veranstaltung Heinz Galinski, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, Exkanzler Helmut Schmidt und Henri Nannen, den mit den Hitler-Tagebüchern ganz vorne sitzen. Aufmerksam lauschten sie der folgenden Rede des Wiedergewählten: "Vierzig Jahre - unser Staat ist erwachsen geworden."

Auch das hörte sich gut an und die Gedanken an Abbau und Siechtum, die meist zwanzig, dreißig Jahre später beginnen, die verdrängte bei der aufkommenden Freude ein jeder.

Richtig war an den Süßmuth-Ausführungen über den "Entschluß, Politiker zu werden", der Hinweis auf Helmut Kohl gewesen. Im Jahre 1964 trafen sich zu einem Waldspaziergang der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende im Mainzer Landtag und der gerade zum Präsidenten des Evangelischen Kirchentages Gekürte. Den "ökumenischen Weltbischof" nannte ihn der gut katholische Franz-Josef Strauß. Nach seiner Wanderung mit Helmut Kohl wurde Richard von Weizsäcker CDU-Mitglied des Kreisverbandes Ludwigshafen mit der Nummer 1423/02435. Im Jahre 1981 scheidet der zur Politik gewechselte Freiherr vom Amte des Kirchenpräsidenten und wird auf Betreiben Kohls, auf dem Sprung ins Kanzleramt, Vorsitzender der Berliner CDU und - nach dem festen Versprechen ans Wahlvolk, nicht vorzeitig aus dem Amte zu scheiden - im Juni desselben Jahres vom Abgeordnetenhaus zum Regierenden Bürgermeister gewählt.

Nach zweieinhalb Jahren bietet sich die Gelegenheit, das Versprechen zu brechen, Bundespräsident zu werden. Anfang 1984 sehen wir den Präsidenten "in spe" in einer sonst leeren Berliner Kirche, nur ein Illustrierten-Fotograf war dabei, "im Gebet um eine göttliche Weisung ringen". Die Weisung ist bekannt und galt für gleich zweimal fünf Jahre, mithin bis 1994. Das als "Krönung meines Lebens" gepriesene Amt des Berliner Bürgermeisters warf er den Berlinern brüsk vor die Füße.

Seinen Ruf als politischer Schönwetterredner nahm er mit nach Bonn. Er kann jedoch auch schweigen - in Berlin schwieg von Weizsäcker beispielsweise zum Verbrennungstod von sechs Ausländern in Abschiebehaft, die ausnahmsweise echte politisch Verfolgte gewesen waren, denen im Heimatland prompte Erschießung gedroht hätte.

Das Dienen an hoher, jetzt an höchster Stelle, ist ein Familienerbe. Zu jener Zeit, da die Namensgebung eingeführt wurde, oft nach den beruflichen Tätigkeiten vom Auwärter bis zum Zimmermann, da lieferte das Landvolk dem Feudalherren den "Zehnten" in Form von Weizen nach der Ernte - einer mußte ihn einsacken.

Nicht immer wird der Freiherr seinem Ruf als "politischer Schönwettermacher" ("Der Spiegel") gerecht. Bei seinem Antrittsbesuch im Anschlußland Sachsen wurde im Februar 1991 nach den Ausführungen in der Dresdner Kathedrale der Unmut erst auf der Straße laut. Die Überlebenden der beiden Bombennächte und -tage vom 13. und 14. Februar 1945 in der mit 500.000 zivilen Flüchtlingen überbelegten Kunststadt ohne Industrie und militärische Anlagen wollten ihrer Hunderttausenden von Toten dieses Kriegsverbrechens der Westalliierten gedenken. Da traf sie wie ein Keulenschlag im Gotteshause die Weizsäckersche Aufforderung, sie möchten "Hitler und Saddam als Feinde der Menschheit erkennen und ihnen Widerstand entgegensetzen."

Mit einem Hinweis auf von Weizsäckers Bereicherungen mit Waffengeschäften schrieb ihm der aus seinen Münster-Prozessen bekannte Sozialanwalt Dr. Günter Weigand: "Ich rate Ihnen gut, so bald wie möglich von Ihrem angemaßten Amt als Bundespräsident, das Sie ethisch verwirkt haben, zurückzutreten, ehe sich der Skandal noch mehr ausweitet. Sie sind seit längerem vom Leben bestraft, auch wenn Sie es noch in der Hand zu haben meinen, ob Sie 'durchhalten' oder aufgeben sollen. "

Still horchte der Präsident in sich hinein, als Tschechen-Präsident Havel in Salzburg zur Mozart-Feier mahnte. "Niemand kann vor seiner Biographie flüchten."

Bis zur Stunde bleibt der Herr standhaft im Amte, hält in alten und neuen Ländern ergreifende Reden. Hier: "Wir müssen teilen lernen", dort: "Die Notstände gehen uns alle an", und am dritten Orte: "jetzt ist eine unerhörte Gemeinschaftsleistung nötig". Davon, daß vom 100-Millionen-Aktienpaket alleine bei Bosch etwas abgegeben werden solle, hat noch keiner gehört.

Eher verlautet, daß Beispiel genommen wurde, daß sich in Stuttgart der Landesvater Späth, im Ländle "Cleverle" genannt, mit gespendeten Ausflügen in die weite Welt, daß sich in Bonn die Bundestagspräsidentin Süßmuth mit Mercedes-Dienstwagen und in Berlin die neue "Treuhand"-Chefin Birgit Breuel beim Welt-Pharma-Konzern SmithKline Beecham mit Aufsichtsratsposten bedienten.

Zu Axel Caesar Springer befand ein Staatsanwalt, als dieser neue Lügen geordert hatte: "Schlechter Charakter ist keine strabare Handlung."

Johannes Gross, zu dessen Lebzeiten als Hof- und Lohnschreiber verdächtigt, hat Erkenntnisse gesammelt. Zum "wahren Skandal der Republik" führt er in "Impulse" über die "Herrschaft der Lüge" jetzt dieses aus:

"Vor einigen Wochen hatte ich auf Einladung von Björn Engholm an einer Diskussion zum Thema 'Barschel und die Zerstörung der politischen Kultur' teilzunehmen. Zunächst fand ich wenig Beifall mit der These, daß der verbreitete Mangel an Wahrhaftigkeit die Hauptgefahr in unserem politischen Leben darstelle. Am Tage danach traf ich einen der führenden Politiker der Republik, der schlichtweg von der Herrschaft der Lüge sprach: Vielmehr als in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik gebe es heute eine allumfassende Koaliton der Verlogenheit. Die Bemerkung zielte darauf, daß unterschiedslos alle Parteien unangenehme Tatbestände vor den Wählern geheimhalten, verschleiern oder verniedlichen.

... Desgleichen hat keine politische Gruppe den Mut zur Ehrlichkeit. Wenn kritische Tatbestände, gewissermaßen dank Verschwörung der Macht- und Meinungshaber, vor dem Publikum nicht erörtert werden können, fängt der demokratische Prozeß an, seinen Sinn zu verlieren. Wer glaubt, die Wähler vor der Wahrheit verschonen zu müssen, bekundet ihnen gegenüber die fundamentale Verachtung, die sich in der patronisierenden Vokabel vom "mündigen Bürger" so unübertrefflich ausdrückt."

Die "erste friedliche deutsche Revolution" - sie darf am Ostufer der EIbe nicht auslaufen. Auch dieses kam aus präsidialem Munde: "Freiheit ist ein Gut, das durch Gebrauch wächst, durch Nichtgebrauch dahinschwindet."