Rotarier Dr. Jürgen Harder
Lübeck. Wenn sich Richter nicht beeilen, kann es für das Land
teuer werden. Diese Erfahrung musste nun auch der schleswig-holsteinische
Finanzminister Claus Möller machen. Weil sich ein Richter des Landgerichts
Lübeck mit einer Notarprüfung zu viel Zeit gelassen hatte, muss das Land einer
Hypothekenbank den entstandenen Schaden von 2,8 Millionen DM ersetzen. Schon
vor zehn Jahren hatte der Präsident des Landgerichts Lübeck einen seiner
Richter damit beauftragt, die Tätigkeit eines Notars zu überprüfen. Obwohl der
Richter schon im März 1989 Unregelmäßigkeiten und Verstöße gegen die
Dienstpflichten des Notars ermittelt hatte, legte er seinen Prüfbericht erst im
Januar 1990 vor. Dies war aus Sicht der klagenden Hypothekenbank zwei Monate zu
spät. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits aus einem Darlehensgeschäft
2,2 Millionen DM auf das Anderkonto des Notars überwiesen. Dieser veruntreute ...
das Geld. Nach neunjährigem Rechtsstreit bestätigte der Bundesgerichtshof
letztinstanzlich die Rechtsauffassung der Bank, dass das Land Schleswig‑Holstein
für den entstandenen Schaden haften muss. Dass vom Feststellen der
Unregelmäßigkeiten bis zum Formulieren des Berichtes über die Notarprüfung zehn
Monate vergingen, werteten die Bundesrichter als "Amtspflichtverletzung".
Der Leidtragende des Schlendrians im Lübecker Landgericht ist der Steuerzahler:
Einschließlich der zwischenzeitlich aufgelaufenen Zinsen muss er für das
behäbige Richtertempo 2,8 Millionen DM bezahlen.
Quelle: "Die öffentliche Verschwendung", herausgegeben vom
Präsidium des Bundes der Steuerzahler e. V., Stand September 1999, Seite 47
Anmerkung: Den vorstehenden Kurzbericht werden wir gelegentlich noch um
die erheblich ausführlichere Berichterstattung der "Lübecker
Nachrichten" ergänzen. Bei dem erwähnten Präsidenten des Landgerichts
Lübeck handelte es sich um den zwischenzeitlich verstorbenen Dr. Jürgen Harder,
der - ausgestattet mit CDU-Parteibuch, Rotary-Mitgliedschaft und hoher Funktion
in der Synode der nordelbischen Kirche - die Posten zuerst des Amtsgerichts-
und dann denn Landgerichtspräsidenten erlangte.
Der Skandal ist ein vielfacher. Selbstverständlich hätte der Notarprüfer
unabhängig von der Abfassung seines vollständigen Berichtes (der eventuell
wegen momentaner Überlastung nicht sogleich hatte gefertigt werden können)
sofort seinem Präsidenten von den vorgefundenen Unregelmäßigkeiten mündlichen
Bericht erstatten müssen oder darüber einen vorläufigen Kurzvermerk vorlegen
müssen, den man sicherlich in etwa zehn Minuten hätte abdiktieren können.
Dann hat das Justizministerium offenbar verabsäumt, bei Dr. Harder und dem
Notarprüfer Regreß zu nehmen und diesen sogleich mit der Klagerwiderung den
Streit zu verkünden.
Wenn ein Notar vor Eingang aller Treuhandbedingungen Fremdgeld auszahlt,
wird dies allgemein als Vorsatz mit der Folge des Verlustes des Versicherungsschutzes
gewertet. Wie anders sollte man das Verhalten von Dr. Harder und seinem
Notarprüfer einordnen? Dabei genügt gemäß § 46 Abs. 1 Beamtenrechtsrahmengesetz
und den entsprechenden Vorschriften der Richtergesetze für nicht dem Richterprivileg
unterliegenden Pflichtwidrigkeiten grobe Fahrlässigkeit, um eine Ersatzpflicht
des Beamten/Richters gegenüber der Anstellungskörperschaft zu begründen.
Wenn nun aber dieser Regreß in nicht verjährter Zeit nicht geltend
gemacht wurde, stellt sich die Frage an die Leitung des Justizministeriums und
die Landesregierung, warum nicht die Ministerialbeamten in die Haftung genommen
wurden, die bezüglich des Regresses gegen die Richter am Landgericht Lübeck
haben Verjährung eintreten lassen.
Wir können Ihnen die Frage beantworten: Weil es doch viel einfacher ist,
den unschuldigen Steuerzahler dafür bluten zu lassen!
Das Justizministerium hat gegenüber dem Finanzausschuß des Landtages Rechenschaft
zu diesem Vorgang abgelegt. Wieweit dabei die Frage des unterbliebenen
Regresses eine Rolle gespielt hat, ist hier unbekannt.
PS: Aber als mein verehrter Vater im Februar 1988 verstorben war, hat
mich der Rotarier Dr. Jürgen Harder auf dem Gerichtsflur ausgefragt, als sei er
Thomas de Torquemada vom Heiligen Officium (Inquisition)!