Rotarier Dr. Ole Krönert

 

Dabei hätte es nach der Lektüre der Pfeiffer-Enthüllungen im Spie­gel vom 14. September für die Staatsanwaltschaft nach dem Grund­satz, daß vor dem Gesetz alle gleich sind, objektiv zwei Hauptverdächtige geben müssen: den geständigen Pfeiffer und seinen mut­maßlichen Anstifter Barschel. Statt dessen wurde Barschei aber flugs als »Zeuge« eingestuft, Pfeiffer als »Täter«. Als man sich übri­gens im Ausschuß wundert, daß der Leitende Oberstaatsanwalt Kleiner im Rahmen des ja noch laufenden Ermittlungsverfahrens bereits ständig von Pfeiffer als »dem Täter« spricht und dies moniert wird, lenkt Kleiner schließlich ein und spricht - an den Abgeordne­ten Börnsen gewandt - jenen denkwürdigen Satz, der danach allen Zuhörern noch lange in den Ohren klingt, weil er in entlarvender Weise das juristische Selbstverständnis der Kleiner-Truppe charak­terisiert: »Wenn Sie damit befriedigt sind, sage ich nicht >den Täter<, sondern >den Tatverdächtigen< - für mich ist das gleich.«

 

(...)

 

Wenig später stellt sich heraus, daß es sich bei dem Eintrag »Stolten­berg« um eine Pressekonferenz handelte. Aber das war Kleiner da­mals offenbar noch nicht bekannt - er schien sich voll auf Pfeiffer/ Nilius konzentriert zu haben. Und hier gab es, wie sich schließlich bestätigt, mehrere Kontakte zwischen Ende Juli und Anfang Au­gust. Vor diesem Hintergrund also gewann die in dem Bericht zitierte Engholm-Aussage zunehmend an Brisanz. Nur: Was zum Zeitpunkt der Berichtsübergabe am 6. Oktober noch keiner seiner Empfänger wußte, ist, daß der gefährliche Satz, Pfeiffer habe »seine Geschichte weder ihm noch der SPD Schleswig-Holstein angeboten«, Engholm schlicht unterstellt worden ist.

Engholm wurde am 1. Oktober bei der Staatsanwaltschaft Lübeck von den Staatsanwälten Ole Krönert und Henning Struck vernom­men. Krönert ist nach den Worten seines Vorgesetzten Kleiner ein jüngerer, verläßlicher Beamter, der sich insbesondere »in den ersten Tagen« des Verfahrens »besonders bewährt« haben soll. Staatsan­walt Struck hat laut Kleiner »gerade in der letzten Zeit gezeigt, daß er fähig ist, auch schwierige Ermittlungslagen zu meistern«. Die rund anderthalbstündige Vernehmung Engholms, der ohne einen Anwalt erschienen war, schlug sich dann in einem knappen zweiein­halbseitigen Protokoll nieder. Mit Datum vom gleichen Tag ging kurz darauf bei Engholm ein Schreiben der Staatsanwaltschaft ein, in dem es hieß: »In der Anlage übersende ich Ihnen die Durchschrift eines Vermerkes zu Ihrer Vernehmung vom heutigen Tage. Falls Sie Bedenken gegen die inhaltliche Richtigkeit des Vermerkes haben, bitte ich um Benachrichtigung.« Und es fand sich dann jener tücki­sche Zusatz: »Herr Engholm erklärte bei seiner Vernehmung, daß der Beschuldigte Pfeiffer seine Geschichte weder ihm noch der SPD Schleswig-Holstein angeboten hätte. Diese Erklärung wurde verse­hentlich nicht ins Protokoll aufgenommen.« Engholm konnte sich auch gar nicht erinnern, einen derartigen Satz gesagt oder einen solchen Zusammenhang hergestellt zu haben. Er erkannte auch so­fort die sich hinter der scheinbar harmlosen Formulierung verber­gende Gefahr. Sollte Pfeiffer »seine Geschichte« doch der SPD an­geboten haben, was er angeblich zu jenem Zeitpunkt nicht wußte, wäre er womöglich bald wegen des Verdachts einer uneidlichen Falschaussage dran und öffentlich diskreditiert gewesen. Also machte er umgehend bei Staatsanwalt Struck »Bedenken gegen die inhaltliche Richtigkeit« des Zusatzvermerkes geltend. Doch längst hatten die Dinge ihren Lauf genommen. Ohne Engholms Reaktion abzuwarten, wurde der von dem Zeugen nicht genehmigte Proto­kollzusatz zu den Akten genommen. Oberstaatsanwalt Kleiner baute ihn in den Zwischenbericht ein und schaffte damit Fakten, die hinterher nur mühsam wieder aus der Welt zu schaffen waren.

Abg. Börnsen: »Entschuldigen Sie, Herr Staatsanwalt, ich habe doch, hoffe ich, richtig verstanden, daß Sie in Ihre Vermerke nur das einfügen als Protokoll, was Sie mit dem jeweiligen Zeugen auch tatsächlich abgesprochen haben, also ein gemeinsames Protokoll? Sie können doch nicht daneben noch Vermerke anlegen über ihren privaten Eindruck von einem Gespräch und von dem, was Sie für wahr halten, ohne daß der betroffene Zeuge dies abgezeichnet hat?«

Zeuge Dr. Oie Krönert: »Es ist ja nicht sozusagen als Ergänzung des Protokolls zu verstehen, sondern als das, was uns in Erinnerung geblieben ist und versehentlich nicht in das Protokoll aufgenommen wurde. Das ist ja ein qualitativer Unterschied.«

Abg. Börnsen: »Jetzt haben Sie ihm dies nachträglich schriftlich zugeleitet, um ihn zu fragen: Ist das so richtig? Sie haben aber nicht abgewartet, welche Antwort von ihm kommt, sondern Sie haben einfach schlicht als wahr unterstellt, was Ihre Erinnerung hergege­ben hat? Deswegen ist meine Frage, ob Sie damit nicht möglicher­weise auch das Risiko eingehen, einem Zeugen Inhalte zu unterstel­len, die er nicht abdecken kann?«

Zeuge Dr. Ole Krönert: »Wir können doch nur so verfahren, daß wir sagen: Nach unserer Erinnerung hat er es so erklärt, und fragen ihn dann noch einmal: Wie ist es nach Deiner Erinnerung gewesen? So müssen wir es auch, wenn wir wahr bleiben wollen, in die Akte bringen.«

Vorsitzender: »Ich will mal Ihre Praxis noch einmal hinterfragen. Wenn ein Zeuge beim Diktat sagt: >Nein, so nicht<, fertigen Sie dann bei der Gelegenheit einen Vermerk an: >Aber er hat es doch gesagt?< Oder verlassen Sie sich darauf bei der Protokollaufnahme, was der Zeuge bestätigt hat?«

Zeuge Dr. Ole Krönert: »Wenn er sagt, nein, so möchte ich das nicht sagen, ich möchte es anders formulieren, wird es wieder ge­löscht und dann so die Antwort wiedergegeben, wie der Zeuge...«

Vorsitzender: »Und haben Sie auch in anderen Fällen eine Mög­lichkeit, Dinge, die der Zeuge nicht gebilligt hat für das Diktat, schriftlich niederzulegen und daneben festzuhalten: »Aber es gibt noch eine nicht bestätigte Aussage, die nach unserer Erinnerung 1., 2., 3  <?«

Zeuge Dr. Ole Krönert: »Das kommt eigentlich - ich kann das nur aus meiner kurzen Praxis beurteilen - nicht vor, nein.«

Vorsitzender: »Das war gerade das, wonach Sie gefragt wurden.«

Zustande gekommen ist dieser »Erinnerungs«-Vermerk aber nicht unmittelbar nach der Vernehmung Engholms, sondern, wie die bei­den Staatsanwälte Krönert und Struck vor dem Untersuchungsausschuß einräumen, erst, nachdem die Vernehmung des Oppositions­führers in der Ermittlungsgruppe unter der Leitung von Oberstaats­anwalt Kleiner erörtert worden war.

 

Quelle: Cordt Schnibben / Volker Skierka in “Macht und Machenschaften. Die Wahrheitsfindung in der Barschel-Affäre. Ein Lehrstück”, Hamburg 1988, S. 182, 184ff

 

Anmerkung: Es darf der Hinweis nicht fehlen, dass Dr. Uwe Barschel durch den Zweiten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss weitgehend rehabilitiert wurde, was aber mit eklatanten Fehlleistungen und peinlicher Einäugigkeit der Staatsanwaltschaft Lübeck in diesem Ermittlungsverfahren nichts zu tun hat.

Die Protokollierungskünste der StA sind aber auch im Zusammenhang mit anderen Ermittlungsverfahren “legendär”, wobei ich exemplarisch StA Ehlers und die Verfahren Klaus Kühnel und Detlef Winter herausgreife.

Beim Amtsgericht Lübeck habe ich allerdings gleichartiges erlebt, als der Amtsrichter “Wickelkind” ein “fertiges” Protokoll mit einer nachgeschobenen Luftnummer ergänzte (nachzulesen in der “Rechtsbeugermafia”).

Dr. Ole Krönert ist zwischenzeitlich schon seit einigen Jahren Präsident des Landgerichts Lübeck und Rotarier.