Rotarier Eschenburg

 

Professor Theodor Eschenburg ‑ Rotarier mit „unsterblichen“ Vorfahren in den „Buddenbrooks“, dessen Großvater zu Wilhelms Zeiten Bürgermeister in Lübeck war – war  Staatsrechtler und der erste Lehrstuhlinhaber für Politikwissenschaft. In Tübingen zog er sich einen Proteststurm seiner Studenten zu, als ruchbar wurde, er arbeite mit Agentenwerbern des Bundesnachrichtendienstes (BND) zusammen, die Studenten für lebensgefährliche Auslandseinsätze ankobern wollten. Für 400 Mark im Monat sollten die angehenden Akademiker im Ostblock Kasernen fotografieren, worauf durchgehend die Todesstrafe stand. Zwei Heidelberger Studenten waren bei einer solchen Geheimdienstaktion voll ins offene Messer gelaufen und am 22.11.1961 vom Obersten Moskauer Militärgericht zu 12 Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden.

Wie auch beispielsweise Gerhard Gaul, Clemens von Jagow, Dr. Helmut Lemke und viele andere mehr, tauschte Eschenburg eine mehr oder weniger üble Nazivergangenheit gegen die Rotary-Mitgliedschaft ein. Eschenburg wurde 1933 Mitglied der SS (nach dem IMT eine kriminelle Vereinigung), beteiligte sich in Hamburg aktiv an der „Gleichschaltung“ im Sinne Hitlers und fungierte als einer der maßgeblichsten Wirtschaftsbosse im NS-Staat. Er war Geschäftsführer von sage und schreibe 21 Wirtschaftsverbänden. Es ist eine Schande für die deutsche Geschichtswissenschaft, daß diese Wendehals-Aktivitäten (von NSDAP / SS zu Rotary /CDU) bis heute keinen Erforscher gefunden haben, wenn man von einigen eher propagandistisch motivierten Ansätzen in der DDR absieht.

 

Quelle: Flugschrift Detlef Winter (Auszug)

 

Unter dem noch relativ zurückhaltenden Titel „Kein Vollzeitrepublikaner - Die Findung des Demokraten Theodor Eschenburg“ demontiert sie (die Historikerin Anne Rohstock) rücksichtslos die Selbstdarstellung des berühmten Politologen: „Eschenburg war seit den 1950er-Jahren darum bemüht, seine keinesfalls über jeden Zweifel erhabene politische Vergangenheit zu rechtfertigen, zu glätten, anzupassen und schließlich auch neu zu erfinden.“

 

DIE WELT vom 5.10.2012 (Auszug)