Tannhäuser

 

Eine Volksballade

 

Nun will ich aber heben an,

Vom Tannhäuser wollen wir singen,

Und was er Wunders hat getan,

Mit Frau Venussinnen.

 

Der Tannhäuser war ein Ritter gut,

Er wollt groß Wunder schauen;

Da zog er in Frau Venus Berg,

Zu andern schönen Frauen.

 

«Herr Tannhäuser, Ihr seid mir lieb,

Daran sollt Ihr gedenken,

Ihr habt mir einen Eid geschworen,

Ihr wollt nicht von mir wanken.»

 

««Frau Venus, ich hab es nicht getan,

Ich will dem widersprechen,

Denn niemand spricht das mehr als Ihr,

Gott helf mir zu den Rechten.»»

 

«Herr Tannhäuser, wie saget Ihr mir!

Ihr sollet bei uns bleiben

Ich geb Euch meiner Gespielen ein,

Zu einem ehelichen Weibe.»

 

««Nehme ich dann ein ander Weib,

Als ich hab in meinem Sinne,

So muß ich in der Höllenglut

Da ewiglich verbrennen.»»

 

«Du sagst mir viel von der Höllenglut,

Du hast es doch nicht befunden;


Gedenk an meinen roten Mund,

Der lacht zu allen Stunden.»

 

««Was hilft mir Euer roter Mund,

Er ist mir gar unmehre,

Nun gib mir Urlaub, Frau Venus zart,

Durch aller Frauen Ehre.»»

 

«Herr Tannhäuser, wollt Ihr Urlaub han,

Ich will Euch keinen geben;

Nun bleibet, edler Tannhäuser zart,

Und frischet Euer Leben.»

 

««Mein Leben ist schon worden krank,

Ich kann nicht länger bleiben,

Gebt mir Urlaub, Fraue zart,

Von Eurem stolzen Leibe.»»

 

«Herr Tannhäuser, nicht sprecht also,

Ihr seid nicht wohl bei Sinnen,

Nun laßt uns in die Kammer gehn,

Und spielen der heimlichen Minnen

 

««Eure Minne ist mir worden leid;

Ich hab in meinem Sinne,

O Venus, edle Jungfrau zart,

Ihr seid eine Teufelinne.»»

 

«Tannhäuser, ach, wie sprecht Ihr so,

Bestehet Ihr mich zu schelten?

Sollt Ihr noch länger bei uns sein,

Des Worts müßt Ihr entgelten.»

 

«Tannhäuser, wollt Ihr Urlaub han,

Nehmt Urlaub von den Greisen,

Und wo Ihr in dem Land umfahren,

Mein Lob, das sollt Ihr preisen.»



Der Tannhäuser zog wieder aus dem Berg,

In Jammer und in Reuen:

Ich will gen Rom in die fromme Stadt,

All auf den Papst vertrauen.

 

Nun fahr ich fröhlich auf die Bahn,

Gott muß es immer walten,

Zu einem Papst, der heißt Urban,

Ob er mich wolle behalten.

 

«Herr Papst, Ihr geistlicher Vater mein,

Ich klag Euch meine Sünde,

Die ich mein Tag begangen hab,

Als ich Euch will verkünden;

 

«Ich bin gewesen ein ganzes Jahr

Bei Venus einer Frauen,

Nun will ich Beicht und Buß empfahn,

Ob ich möcht Gott anschauen.»

 

Der Papst hat einen Stecken weiß,

Der war von dürrem Zweige:

««Wann dieser Stecken Blätter trägt,

Sind dir deine Sünden verziehen.»»

 

«Sollt ich leben nicht mehr denn ein Jahr,

Ein Jahr auf dieser Erden,

So wollt ich Reu und Buß empfahn

Und Gottes Gnad erwerben.»

 

Da zog er wieder aus der Stadt,

In Jammer und in Leiden:

Maria Mutter, reine Magd,

Muß ich mich von dir scheiden,



So zieh ich wieder in den Berg,

Ewiglich und ohne Ende,

Zu Venus, meiner Frauen zart,

Wohin mich Gott will senden.

 

«Seid willkommen, Tannhäuser gut,

Ich hab Euch lang entbehret,

Willkommen seid, mein liebster Herr,

Du Held, mir treu bekehret.»

 

Darnach wohl auf den dritten Tag,

Der Stecken hub an zu grünen,

Da sandt man Boten in alle Land,

Wohin der Tannhäuser kommen.

 

Da war er wieder in dem Berg,

Darinnen sollt er nun bleiben

So lang bis an den jüngsten Tag,

Wo ihn Gott will hinweisen.

 

Das soll nimmer kein Priester tun,

Dem Menschen Mißtrost geben,

Will er denn Buß und Reu empfahn,

Die Sünde sei ihm vergeben.

 

 

Heinrich Heine, einer der größten Künstler deutscher Sprache, schreibt zu diesem Gedicht:

 

Aber der Mensch ist nicht immer aufgelegt zum Lachen, er wird manchmal still und ernst, und denkt zurück in die Vergangenheit; denn die Vergangenheit ist die eigentliche Heimat seiner Seele, und es erfaßt ihn ein Heimweh nach den Gefühlen, die er einst empfunden hat, und seien es auch Gefühle des Schmerzes. So erging es namentlich dem Tannhäuser, nach dem Berichte eines Liedes, das zu den merkwürdigsten Sprachdenkmalen gehört, die sich im Munde des deutschen Volkes erhalten. Ich las das Lied zuerst in dem erwähnten Werke von Kornmann ("Mons Veneris oder der Venus-Berg").

 

(...) Ich erinnere mich, als ich zuerst dieses Lied las, in dem erwähnten Buche von Kornmann, überraschte mich zunächst der Kontrast seiner Sprache mit der pedantisch verlateinisierten, unerquicklichen Schreibart des 17ten Jahrhunderts, worin das Buch abgefaßt. Es war mir, als hätte ich in einem dumpfen Bergschacht plötzlich eine große Goldader entdeckt, und die stolzeinfachen, urkräftigen Worte strahlten so blank entgegen, daß mein Herz fast geblendet wurde von dem unerwarteten Glanz.