Dr. Volker Zahns Koberg
1) Leserbrief von
Rosemarie Seemann, Lübeck in Lübecker Stadtzeitung vom 6.6.2000
Zu: "Mehr legale Flächen für Graffiti‑Kunst".
SZ vom 23. Mai
Manchmal
träume ich schlecht. In einer dieser unruhigen Nächte hatte ich im Traum eine
Vision vom Koberg. Ich ging mein Auto suchen, das ich
abends ‑ anstatt ordentlich im Parkhaus abzustellen ‑ einfach auf
den menschenleeren Platz gestellt hatte. Und fand den Koberg
nicht mehr wieder.
Ich
fand nur ein großes Rondell, umgeben von lauter WC‑Häuschen mit Kiosk und
Trafostationen. Großzügig hellgrau bepflastert, mit gewölbtem Dach, sahen sie
wie geklont aus und glichen aufs Haar der Anhöhe, die bisher einen Großteil des
Backsteinbaus der Jakobihäuser verdeckt hatte.
Eben
dort sah ich nunmehr den Brunnen und das Häuschen mit dem ungedeckten Dach
einträchtig stehen, zusammen mit der neuen Beschilderung:
"Volker-Zahn-Platz".
Auf der Suche nach einem Zugang zur Platzmitte, wo mein Auto
stand, entdeckte ich gegenüber vom Hoghehus eine
Lücke - mit rot-weißer Barriere, an der deutlich lesbar stand:
Feuerwehrzufahrt! Keine Passage.
Ich
griff zum Handy, rief den Boss der Graffitimaler an und teilte ihm mit, daß die
Stadt kurzfristig am ehemaligen Koberg neue Flächen
zum Besprühen freigegeben hätte, quasi als Ersatz für das bereits vollgesprühte Stadthaus.
Der
zweite Anruf erreichte die Feuerwehr, die mir den Zugang zu meinem Auto auf der
Platzmitte verschaffte.
Und
dann wurde ich richtig wach. Wie gut, daß alles nur ein Traum war! Wo hätte
sonst der Obst- und Gemüsestand noch seinen Platz gehabt?
Vor
allem aber: Wo wären all diejenigen geblieben, die an der verschlossenen
Hintertüren des WC Häuschens gerüttelt haben?
Wie
gesagt: Manchmal träume ich schlecht.
2) Leserbrief Katharina Ehrenstein vom
8.6.2000 (von der Lübecker Stadtzeitung nicht abgedruckt)
Von
Heinrich Zille stammt der Ausspruch, daß man Menschen auch mit Wohnungen
umbringen kann und nicht unbedingt ein Messer benötige. Man kann Menschen durch
den Entzug von Schönheit und Gefühl ermorden und ein Spezialist auf diesem
Gebiet ist Dr. Volker Zahn, der uns u.a. den Volker Zahn Platz beschert hat,
der früher Koberg hieß.
Frau
Seemann hat große Literatur mit einem kleinen Brief geschaffen, besser als
Günther Grass und so gut wie Thomas Mann. Ein echtes, ehrliches und von fast
allen Bürgern geteiltes Gefühl wird von ihr beschrieben. Auch der Übergang vom
Realen zum Irrealen des Traums. Diese grausamen und seelenlosen modernen
Politiker bringen Menschen auf ihre Art um und Menschen reagieren durch
Überforderung. Sie können diese Realität nicht mehr bewältigen und träumen sie
um. Ich habe auch von dem Platz geträumt. In der Mitte stand ein großer Brunnen
mit einer Sandsteineinfassung. Kinder planschten im Wasser und Eltern saßen an
Tischen und vergnügten sich. Das alles wollte Herr Zahn nicht, sogar das Wasser
in seinem Tantalus Brunnen wurde eingekerkert. Was
der Bleistiftanspritzer daneben soll, werden sich die
Leute solange fragen bis er endlich fort sein wird.
Das
hat 6,5 Millionen gekostet. ... Herr Dr. Zahn war derjenige, der das Wohnheim Kronsforder Allee auf genau dieselbe Weise liquidieren
wollte, wie er alle seine Aufgaben löst. Gefühllos, sinnlos, unästhetisch,
zynisch und teuer. Sein Kumpel ist der Hartmuth Sörensen
von der TRAVE. Das Problem der Gegenwart ist doch das: Wer kontrolliert die
unfähigen Mächtigen? Wenn sie ihre riesigen Privatfriedhöfe komplett haben,
scheiden sie mit Abfindungen und Pensionen ins Privatleben, die atemberaubend
sind. Das schimmerte bei Herrn Mantik durch. Wenn er wegen Korruption aus
seinem Posten flöge, bekäme er lange Zeit DM 17.000,‑ pro Monat und dann
noch weiter Summen, die andere niemals gesehen haben. Deshalb beobachtet man
bei all diesen Veranstaltungen, wo sie unter sich sind, daß die Gesichter immer
öliger werden, aber die Menschen auf der Straße werden immer asozialer. Was
bringt denn diese geschlossene Gesellschaft der Museumswächter, wenn die
Bevölkerung immer jämmerlicher daherkommt. Kinder gibt es überhaupt nicht mehr,
die KITA Preise sind astronomisch, und Jugendliche wird man über green cards am besten aus Sierra
Leone holen. Wenn man sich in Lübeck um Jugendliche kümmert, wird man behandelt
wie eine Irre mit exotischen Vorlieben. Dem kinderlosen Dr. Zahn kann man nur
sagen: Nemo sibi nascitur!