Typisch lübsch (151)

 

P&C auf dem Markt:

Verfahrensfehler und politische Förderung.

Eine Liste

Frühjahr/Frühsommer 2000: „feindliche Übernahme“ des 1996 von Lindner/Lindner-Böge gewonnenen Markt-Wettbewerbs durch Kahlen & Ingenhoven, die überhaupt nicht am Wettbewerb teilgenommen hatten. Da­bei offenkundige Begünstigung des Investors Kahlen und seines Architekten durch Liegenschaftsamt, KWL und Bausenator Zahn, der politisch unter Erfolgsdruck steht: ein Investor muss her ! Kahlen liefert den „sicheren Mieter P&C“

Ingenhoven schlägt ein gegenüber dem Wettbewerbsergebnis völlig an­ders geartetes Bauvolumen und eine monofunktionale Nutzung durch die Textilkette P&C vor. Bausenator Zahn widmet per „einfachem B-Plan-Ver­fahren“ die Gemeinbedarfsnutzung in Kerngebietsnutzung um. Trotz die­ser gravierenden Abkehr von den 1995/96 formulierten und per Bürgerbe­teiligung bestätigten städtebaulichen Leitzielen verhindert Zahn eine erneute Bürgerbeteiligung.

September 2001: Anstelle des jährlich an die UNESCO zu gebenden Be­richts erklärt die Bauverwaltung in ihrer Broschüre „Lübeck plant und baut Heft 87 Markt-Westrand“ alle Vorgänge rechtens. In Abweichung von geltenden Rechtslagen nach Denkmalschutzgesetz und Stadtbildsatzung beeilen sich Stadtplaner und Denkmalpfleger, Ingenhovens Entwurf zu le­gitimieren. Der Markt wird zu einer Zone von „Sonderbauten“ erklärt. Damit gibt man sich den Freibrief für den „Sonderbau“ Ingenhovens. Vor­auseilender Gehorsam bestimmt auch die Bewertung des Entwurfs durch leitende Baubeamte: „... eine plastische Gliederung, die ohne die Appli­kation modischer Zierelemente auskommt“. Oder: „Der Entwurf ist ... ei­genständig und modern ... und verzichtet aufplatzbeherrschende Reprä­sentationsarchitektur“ (Antonius Jeiler). Die Denkmalpflege findet das Schalendach „interessant“. Dabei hatte sie noch vor kurzem bei einem Neubau in der Großen Gröpelgrube die Rote Karte gezeigt - wegen eines simplen Halbtonnendachs.

Februar 2002: Die sogenannte „UNESCO-Konferenz“ im Rathaus  kommt  um  ein Jahr zu spät - a) weil die Stadt die UNESCO überhaupt nicht in­formiert hatte, b) weil die UNESCO ihrerseits auf BIRL-Hinweise nicht rea­gierte und c) weil das Benennen von ICOMOS-Vertretern unerwartet schwierig war. - In der Zwischenzeit sind alle rechtlichen und finanziel­len Verbindlichkeiten zwischen Stadt und Investor getätigt. - Die schließ­lich verpflichteten zwei ICOMOS-Vertreter sind der Problematik nicht ge­wachsen. Der Rechtfertigungscharakter der als „Informations-Grundlage“ zugestellten Broschüre „Heft 87 - Markt-Westrand“ wird von ihnen wie auch anderen Teilnehmern nicht durchschaut. Der Wohnungsmanager Monsieur Polge aus Paris fordert im Namen von ICOMOS beispielsweise einen „machtvollen Großbau“ auf dem Markt, um ein Gegengewicht zu Mari­enkirche und Rathaus zu haben. Die Versammlung ist außerdem Architekten-lastig, Kollegen-Kritik ist unüblich. Ein glühender Befürworter bleibt oh­ne notwendigen Widerspruch seiner Kollegen. Ihm gelingt es, zu einem frü­hen Zeitpunkt per Abstimmung den fatalen Entschluss zu initiieren, dass das Projekt „das Welterbe nicht gefährdet“. Versuche anderer Teilnehmer, endlich die formalen Probleme des Entwurfs anzusprechen, lehnen die Ar­chitekten ab. Hans Caspary, der aus dem Amt scheidende Vorsitzende der Deutschen UNECO-Kommission, stellt abschließend fest, dass nichts mehr zu machen sei, weil man zu spät komme. Dennoch werden einige klare, wenn auch wenig schmerzhafte Auflagen formuliert, die sowohl den (geplanten) Ersatzbau des Stadthauses als auch den Kaufhaus-Riegel betreffen.

Herbst 2002: Trotz des auf der UNESCO-Konferenz verabredeten „Junk­tims“ zwischen Post- und Stadthausgrundstück-Neuplanung akzeptiert die Stadt, dass der Investor einen Teil seines Projekts storniert und nur das Post­grundstück neu bebauen wird.

Frühjahr 2003: Investor, Architekt und Lübecks Polit-Spitze unter Füh­rung von Bürgermeister Saxe umgehen gemeinsam weitere UNESCO-Auflagen. Die bereits für 02 terminierte Nachfolgekonferenz ist nicht zustandegekommen, weitere werden nicht einberufen, weil Lübeck der Berichtspflicht gegen­über der UNESCO über den Stand des Verfahrens nicht nachkommt oder erst sehr spät; nach vollendeten Tatsachen. Inzwischen sind Post und Stadt­haus abgebrochen, das Kaufhaus ist fundamentiert. Mit Teil-Baugenehmi­gungen umgeht Lübeck die Gesamt-Diskussion des Vorhabens. Entgegen der UNESCO-Auflage hat zu keiner Zeit eine weitere Beratung mit außenstehenden Fachleuten stattgefunden: Alle Entscheidungen treffen allein Ingenhoven und seine Lübecker Getreuen. - Die wenigen Schreiben an ICOMOS und UNESCO zeigen eine deutlich erkennbare „eigenwillige“ Schwer­punktsetzung (...), die faktisch die Konfe­renzbeschlüsse aushebelt.

Quelle: bürger nachrichten – Zeitung der Bürgerinitiative Rettet Lübeck /Nummer 93 / Februar – März 2005