Carl Hans Lody oder Philipp von Lenard

 

Ehrung für einen Helden oder für einen Nazi-Antisemiten?

 

Detlef Winter

Max‑Planck‑Str. 13

23568 Lübeck, den 20.3.2002

Tel: 3 29 90

 

Herrn

Bernd Saxe

Bürgermeister der Hansestadt Lübeck

Rathaus

23552 Lübeck

 

Benennung einer Lübecker Straße nach einem üblen Nazi

 

Sehr geehrter Herr Saxe,

 

in meinem Schreiben vom 21.10.2001, in dem ich unter anderem um eine gerechte Behandlung des Herrn Dieter Kern geworben hatte, wurde im übrigen folgendes ausgeführt:

 

"Besonders beschämend erscheint mir das rechtlich bedenkliche und inhumane Vorgehen gegen Herrn Kern unter Berücksichtigung einiger Dinge, die sich seit 1945 in dieser Stadt abgespielt haben. Beispielhaft nenne ich nur den Marineblutrichter Gerhard Gaul, dem auch noch der höchste lübsche Orden verliehen wurde und Annemarie Schuster und ... und...und. Unbegreiflich ist mir auch, warum einerseits Spuren braunen Staubs mit dem Elektronenmikroskop gesucht werden als wären es Goldnuggets und andererseits in den 60er Jahren eine Straße in Lübeck nach einem üblen Nazi benannt wurde, was mit einer Nobel-Preis-Verleihung wohl nur höchst unzureichend erklärt werden kann. Hier in Karlshof gibt es nämlich heute noch einen Weg, der nach dem Physiker Philipp von Lenard (1862 bis 1947) benannt wurde. Ihm wurde 1933 das Adlerschild des Deutschen Reiches, 1936 der Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft verliehen, außerdem war er Träger des Goldenen Ehrenzeichens der NSDAP. Als scharfer Antisemit war er einer der ersten Wissenschaftler, der sich schon 1924 zu Adolf Hitler bekannte. Lenard forderte eine "deutsche Physik" und führte einen Kampf für eine "nordische Forschung", aus der Juden aus rassischen Gründen ebenso ausgemerzt (übrigens auch der Sprachgebrauch von G. Gaul) würden wie aus Politik, Wirtschaft und Kunst. Besonders pikant wird die Sache dadurch, weil Lenard selber jüdischer Abkunft und zum Katholizismus konvertiert war. Jedenfalls hat die Stadt München im CSU-regierten Bayern 1966 eine "Lenardstraße" in "Domagkstraße" umbenannt."

 

Eine Berufungskammer des Landgerichts hat in einer juristisch unhaltbaren Entscheidung die Verurteilung des Herrn Kern wegen eines Totenkopfes in einer Werbeanzeige bestätigt. Sein Verteidiger hat völlig zu recht von "politischer Justiz" gesprochen. Was Georg Büchner zur Charakterisierung der Justiz im Verhältnis zur politischen Macht gesagt hat, ist Ihnen vielleicht bekannt.

 

Zwischenzeitlich ist mir auch nichts darüber bekannt geworden, dass Sie oder Ihre Parteifreunde eine posthume Aberkennung des dem Blutrichter G. Gaul verliehenen höchsten lübschen Ordens in die Wege geleitet hätten. Was Gaul in seine Todesurteile hineingeschrieben hat, dürfte Ihnen doch ebenso bekannt sein wie sein verlogenes Gesülze vor seinen CDU‑ und Rotary‑Freunden.

 

Anlaß für dieses Schreiben ist allerdings der Umstand, dass ich gestern beim Durchfahren des Glashüttenweges zu meiner Überraschung feststellen mußte, dass die bewußte Straße immer noch "Lenardweg" heißt. Es hat demnach den Anschein, dass Sie es darauf anlegen, mit diesem Skandal eines Tages im SPIEGEL, Focus oder der Bild‑Zeitung zu stehen, etwa mit der Schlagzeile: "Hexenjagd auf Patrioten / Städtische Bürgschaften für Genossen / Ehrungen für Altnazis"

 

Für den Fall, dass Sie die über Lenard berichteten Dinge bisher schlicht nicht zu glauben bereit waren, empfehle ich Ihnen, gelegentlich auf dem Heimweg vom Rathaus einen kleinen Abstecher in die Hundestraße zu unternehmen. Dort finden Sie:

 

1)   Brockhaus Enzyklopädie, 17. Auflage, 1970 (im Lesesaal steht eine jüngere Ausgabe), Signatur Allg 5/20 a. Unter dem Stichwort "Lenard, Philipp" heißt es auszugsweise: "Politisch lehnte er die Weimarer Republik ab und steigerte sich allmählich in fanatischen Antisemitismus und Nationalsozialismus hinein".

 

2)   Deutsche Biographische Enzyklopädie, Signatur Allg 225/22. Unter dem gleichen Stichwort finden Sie: "Auf der Naturforscherversammlung in Bad Nauheim (1920) kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung mit Einstein über die Relativitätstheorie, die Lenard in den folgenden Jahren als 'jüdische Physik' zu diskreditieren versuchte."

 

3)   Das umfangreichste Material über diesen "Wegbereiter des Faschismus" finden Sie in "Der militante Sozialdemokrat Carlo Mierendorff 1897 bis 1943" von Richard Albrecht, S. 52‑62 und 110f. Dieses Buch werden Sie allerdings zur Zeit nicht vorfinden, da ich es ausgeliehen habe. Gerne fertige ich Ihnen jedoch Kopien von den zitierten Seiten.

 

Die darüber hinausgehenden Informationen über Lenard stammen aus "Bevor Hitler kam" von Dietrich Bronder. Ein hervorragendes Buch, welches aus der Bibliothek des Deutschen Bundestages "verbannt" wurde; ich vermute, weil da etwas über einen ehemaligen Kronjuristen der SPD‑Fraktion nachzulesen ist, was wohl keiner wissen sollte.

 

Mit vorzüglicher Hochachtung


Gedenktafel am Burgtor nationalistisch?


 

Klein. Unbedeutend. Vergessen. So fristete die Gedenktafel am Burgtor bislang ihr Dasein. Und das immerhin seit mehr als 70 Jahren. Seit 1934 hängt diese Platte dort an der nördlichen Eingangspforte zur Altstadtinsel und erinnert an den am 6. November 1914 erschossenen Carl Hans Lody ‑ größtenteils unbeachtet von den Lübeckern und der Stadt.

 

Seit dem vergangenen Donnerstag ist das anders. SPD und Grüne machten diese 30 mal 50 Zentimeter große Platte zum Thema in der Bürgerschaft. Unter der Überschrift "Nationalistische Gedenktafel am Burgtor" stimmten alle Fraktionen einstimmig dafür, eine Kundgebung rechtsextremer Gruppen in der ersten Novemberhälfte an der Gedenktafel zu verbieten.

 

Doch eine solche Kundgebung ist bislang gar nicht angemeldet ‑ weder bei Polizei noch Ordnungsamt. Warum der Wirbel? Die Lübecker Linkspartei, die nicht in der Bürgerschaft vertreten ist, hatte die Fraktionen dazu aufgefordert. Ragnar Lüttke geht sogar noch weiter: "Die Gedenktafel soll entfernt und durch eine Erinnerung an ein Ereignis der Demokratie ersetzt werden." Außerdem sei die Graffiti beschmierte Tafel vor zwei Jahren von der Stadt gereinigt worden. Lüttke: "Die Tafel ist schlicht Nazi‑Propaganda."

 

Ob die Carl‑Hans‑Lody‑Tafel nun wirklich zu einer "das deutsche Heldentum verherrlichenden Erinnerung" zählt, soll jetzt das Amt für Denkmalschutz klären. Dass der deutsche Spion am 6. November 1914 in London erschossen wurde, weiß man dort auch ‑ viel mehr aber nicht. Zu Lübeck hatte der Offizier wohl kaum Verbindungen, hier möglicherweise nur Verwandte. "Vielleicht hat die Tafel auch nicht den Stellenwert, der ihr beigemessen wird", sagt Kultursenatorin Annette Borns (SPD). Das Ereignis um Carl Hans Lody könne auch von dem Nazi­-Regime instrumentalisiert worden sein. Immerhin liegen zwischen dem Tod des Mannes und dem Aufstellen der Tafel 20 Jahre, in denen die Deutung der Geschichte einen entscheidenden Richtungswandel erlebte.

 

Nichtsdestotrotz gibt es seit einigen Jahren eine kleine Gruppe von Rechten, die sich am 6. November an der Gedenktafel versammelt und einen Kranz niederlegt, der aber meist nach kurzer Zeit wieder verschwindet.

 

Quelle: Lübecker Nachrichten vom 1.10.2005



Ist der brave Bernd Saxe ein heimlicher Antisemit?

Oder: Warum Lübeck immer noch einen Lenardweg hat

 

Nach dem Willen des Stadtoberen und der Bürgerschaft will man ab sofort nationale Gedenkfeiern am Burgtor zu Ehren von Hans Lody verhindern. Angesichts dieses forschen Auftretens der Pseudodemokraten, das auf Grund einer Aufmüpfigkeit der SED in Lübeck provoziert wurde, muß man die Gesinnung des Herrn Saxe genauer hinterfragen.

 

Da gibt es vom Glashüttenweg abgehend einen Lenardweg. Benannt nach dem Physiker Philipp von Lenard (1862‑1947), der 1905 den Nobelpreis für Physik erhielt. Schon 1920 auf der Naturforscherversammlung in Bad Nauheim kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung mit Albert Einstein über die Relativitätstheorie, die er als "jüdische Physik" diskreditierte. Und schon 1924 bekannte sich Lenard zu Adolf Hitler, 1933 erhielt er das Adlerschild des Deutschen Reiches, 1936 den Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft, war Träger des Goldenen Ehrenzeichens der NSDAP und zudem ein glühender Antisemit und Nationalsozialist. Er forderte eine "deutsche Physik" und kämpfte für eine "nordische Forschung", aus der Juden aus rassischen Gründen ausgemerzt werden müßten ebenso wie aus der Politik. Wegen dieses Lebenslaufes hat die Stadt München die dortige Lenardstraße 1966 in Domagkstraße umbenannt.

 

Mit einem Schreiben vom 20. März 2002 ist Herr Saxe auf diese Umstände von einem Lübecker Rechtsanwalt hingewiesen worden, und es wäre wohl zu erwarten gewesen, daß der ach so bunt‑statt‑braune SPD‑Genosse sofort eingeschritten wäre. Aber nach 3 1/2 Jahren ist nichts dergleichen geschehen.

 

Für das Nichtstun des Japanurlaubers könnte es zwei Gründe geben:

 

1. Saxe ist in Wirklichkeit ein verkappter Verehrer des Nationalsozialismus, oder

 

2 Die jüdische Herkunft des Herrn Lenard, der zum Katholizismus konvertierte, verbietet die Umbenennung.

 

Schließlich kann doch nicht sein, was nicht sein darf: Mit solcher Herkunft kann man kein Antisemit sein.

 

Also statt Lody nun eine Lenardfeier mit Billigung des Bürgermeisters? Wohl lieber nicht!

 

Quelle: Pressemitteilung des Kreisverbandes Lübeck/Ostholstein der NPD ("Wir sind die echte Opposition") vom 14.10.2005. Verantwortlich: R. Jahnke, Lübeck

 

Anmerkung: Bei Abfassung des Schreibens vom 20.3.2002 war Detlef Winter nicht mehr Rechtsanwalt. Er hatte seine Rechtsanwaltszulassung im September 1997 aus Protest gegen ungeheuerliche Rechtsbrüche innerhalb der schleswig-holsteinischen und insbesondere lübschen Justiz zurückgegeben (vgl. "Die Rechtsbeugermafia").