Weltbühne
Notwendige Kritik darf auch das Nest beschmutzen.
Die „Weltbühne“ und der
Kampf gegen den Beton
in den Köpfen des deutschen
Bürgertums.
Wie ist er hier so
sanft und zärtlich! Wohlseyn will er, und ruhigen Genuß und sanfte Freuden, für sich, für andere.
Es ist das Thema
des Anakreon. So lockt und schmeichelt er sich selbst ins Leben hinein. Ist er aber darin, dann zieht die Qual
das Verbrechen und
das Verbrechen die Qual herbei: Greuel und Verwüstung füllen den Schauplatz. Es ist das Thema des Aischylos. Schopenhauer
Es wird uns Mitarbeitern der <Weltbühne>
der Vorwurf gemacht, wir sagten zu allem Nein und seien nicht positiv genug.
Wir lehnten ab und kritisierten nur und beschmutzten gar das eigene deutsche
Nest. Und bekämpften — und das sei das Schlimmste — Haß mit Haß, Gewalt mit
Gewalt, Faust mit Faust.
Es sind eigentlich immer dieselben Leute, die in diesem Blatt zu Worte kommen, und es mag einmal gesagt werden, wie sehr wir alle innerlich zusammenstimmen, obwohl wir uns kaum kennen. Es existieren Nummern dieser Zeitschrift, die in einer langen Redaktionssitzung entstanden zu sein scheinen, und doch hat der Herausgeber mutterseelenallein gewaltet. Es scheint mir also der Vorwurf, wir seien negativ, geistig unabhängige und von einander nicht beeinflußte Männer zu treffen. Aber sind wirs? Sind wirs denn wirklich?
Ich will einmal die
Schubladen unsres deutschen Schrankes aufmachen und sehen, was darinnen liegt.
Die Revolution. Wenn
Revolution nur Zusammenbruch bedeutet, dann war es eine; aber man darf nicht
erwarten, daß die Trümmer anders aussehen als das alte Gebäude. Wir haben
Mißerfolg gehabt und Hunger, und die Verantwortlichen sind davongelaufen. Und
da stand das Volk: die alten Fahnen hatten sie ihm heruntergerissen, aber es
hatte keine neue.
Der Bürger. Das ist — wie oft
wurde das mißverstanden! — eine geistige Klassifizierung, man ist Bürger durch
Anlage, nicht durch Geburt und am allerwenigsten durch Beruf. Dieses deutsche
Bürgertum ist ganz und gar antidemokratisch, dergleichen gibt es wohl kaum in
einem andern Lande, und das ist der Kernpunkt alles Elends. Es ist ja nicht
wahr, daß sie in der Zeit vor dem Kriege unterdrückt worden sind, es war ihnen
tiefstes Bedürfnis, emporzublicken, mit treuen Hundeaugen, sich zurechtstoßen
zu lassen und die starke Hand des göttlichen Vormunds zu fühlen! Heute ist er
nicht mehr da, und fröstelnd vermissen sie etwas. Die Zensur ist in Fortfall
gekommen, brav beten sie die alten Sprüchlein weiter, ängstlich plappernd, als
ob nichts geschehen sei. Sie kennen zwischen patriarchalischer Herrschaft und
einem ins Räuberhafte entarteten Bolschewismus keine Mitte, denn sie sind
unfrei. Sie nehmen alles hin, wenn man sie nur verdienen läßt. Und dazu sollen
wir Ja sagen?
Der Offizier. Wir haben hier
nachgewiesen, warum und inwiefern der deutsche Offizier im Kriege versagt hat,
und was er an seinen Leuten gesündigt. Es geht ja nicht um den Stand — Angriffe
gegen eine Kollektivität sind immer ungerecht —: es geht um den schlechten
Geist, der den Stand beseelte und der sich tief in das Bürgertum hineingefressen
hatte. Der Leutnant und seine — sagen wir immerhin: Geistigkeit war ein
deutsches Ideal, und der Reserve-Offizier brauchte keine lange Zeit, in die
Uniform hineinzuwachsen. Es war die infernalische Lust, den Nebenmenschen
ungestraft zu treten, es war die deutsche Lust, im Dienst mehr zu scheinen, als
man im Privatleben ist, das Vergnügen, sich vor seiner Frau, vor seiner
Geliebten aufzuspielen, und unten
krümmte sich ein Mensch. Eine gewisse Pflichterfüllung des Offiziers (und
sein Geist saß auch in vielen untern Chargen) soll nicht geleugnet werden, aber
sie geschah oft nur auf der Basis der Übersättigung und der übelsten Raffgier.
Die jungen Herren, denen ich im Kriege hinter die Karten gucken konnte, machten
keinen hervorragenden Eindruck. Aber es geht ja nicht um die einzelnen, und
wie soll je eine Besserung kommen, wenn wir es jetzt nicht sagen! Jetzt, denn
später hat es keinen Sinn mehr; jetzt, denn später, wenn das neue Heer
aufgebaut ist, wäre es überflüssig, noch einmal die Sünden des alten Regimes
aufzublättern. Und es muß den Deutschen eingehämmert werden, daß das niemals
wiederkommen darf, und es muß allen gesagt werden, denn es waren ja nicht die
Sünden gewisser reaktionärer Kreise, sondern alle,
alle taten mit! Das Soldatenelend — und mit ihm das
Elend aller <Untergebenen> in Deutschland — war keine Angelegenheit der
politischen Überzeugung: es war eine der mangelnden Kultur. Die übelsten
Instinkte wurden in entfesselten Bürgern wachgerufen, gab ihnen der Staat die
Machtfülle eines <Vorgesetzten> in die Hand. Sie hat ihnen nicht gebührt.
Und dazu sollen wir Ja sagen?
Der Beamte. Was haltet
ihr von einer Verwaltung, bei der der Angestellte wichtiger ist als die
Maßnahmen, und die Maßnahme wichtiger als die Sache? Wie knarrte der Apparat
und machte sich imponierend breit! Was war das für ein Gespreize mit den Ämtern
und den Ämtchen! Welche Wonne, wenn einer verfügen konnte! Von allen andern
Dienststellen — und es gab ja so viele — wurde er unterdrückt: jetzt durfte er
auch einmal! Und die Sache selbst ersoff in Verordnungen und Erlassen, die
kleinen Kabalen und Reibereien in den Ämtern füllten Menschenleben aus, und der
Steuerzahler war wehrlos gegen sein eigenes Werk. Und dazu sollen wir Ja sagen?
Der Politiker. Politik kann
man in diesem Lande definieren als die Durchsetzung wirtschaftlicher Zwecke mit
Hilfe der Gesetzgebung. Die Politik war bei uns eine Sache des Sitzfleisches,
nicht des Geistes. Sie wurde in Bezirksvereinen abgehaspelt und durchgehechelt,
und gegen den Arbeiter standen alle andern zusammen. Vergessen war der Geist,
auf dessen Grundlage man zu Vorschlägen und Gesetzen kam, vergessen die
Gesinnung, die, Antrieb und Motiv in einem, erst verständlich und erklärbar
machte, was man wollte. Der Diplomat alter Schule hatte abgewirtschaftet, «er
besitzt keinen modernen Geist», sagten die Leute; nun sollte der Kaufmann an
seine Stelle treten. Aber der besitzt ihn auch nicht. Eine wilde Überschätzung
des Wirtschaftlichen hob an. Feudale und Händler raufen sich um den Einfluß im
Staat, der in Wirklichkeit ihnen beiden unter der Führung der Geistigen
zukommen sollte. Und dazu sollen wir Ja sagen?
Daß der Bürger zetert,
dem anständige Politik nichts ist als Geschäftsstörung, nimmt uns nicht
wunder. Daß Geistige gegen uns eifern, schon mehr. Wozu führen denn letzten
Endes die Erkenntnisse des Geistes, wenn man nicht ein Mal von den Höhen der
Weisheit herunterklettert, ihre Ergebnisse auf das tägliche Leben anwendet und
das zu formen versucht nach ihrem Ebenbilde? Nichts ist bei uns peinlicher und
verhaßter als konkret gewordene Geistigkeit. Alles darfst du: die gefährlichsten
Forderungen aufstellen, in abstracto, Bücherrevolutionen machen, den lieben
Gott absetzen — aber die Steuergesetzgebung, die machen sie doch lieber allein.
Sie haben eine unendlich feine Witterung und den zuverlässigsten Instinkt gegen
alles was ihre trübe Geschäftigkeit stören kann, ihr Mißtrauen ist unsäglich,
ihre Abneigung unüberwindbar. Sie riechen förmlich, ob sich deine Liebe und
dein Haß mit ihrem Kolonialwarenladen verträgt, und tun sies nicht: dann gnade
dir Gott!
Hier steht Wille gegen Willen.
Kein Resultat, kein Ziel auf dieser Erde wird nach dem logisch geführten Beweis
ex argumentis gewonnen. Überall steht das Ziel, gefühlsmäßig geliebt, vorher
fest, die Argumente folgen, als Entschuldigung für den Geist, als Gesellschaftsspiel
für den Intellekt. Noch niemals hat einer den andern mit Gründen überzeugt.
Hier steht Wille gegen Willen: wir sind uns über die Ziele mit allen anständig
Gesinnten einig — ich glaube, was an uns bekämpft wird, ist nicht der Kampf: es
ist die Taktik.
Aber wie sollen wir
gegen kurzstirnige Tölpel und eisenharte Bauernknechte anders aufkommen als mit
Knüppeln? Das ist seit Jahrhunderten das große Elend und der Jammer dieses
Landes gewesen: daß man vermeint hat, der eindeutigen Kraft mit der bohrenden
Geistigkeit beikommen zu können. Wenn wir andern — die wir hinter die Dinge
gesehen haben, die wir glauben, daß die Welt, so wie sie ist, nicht das letzte
Ziel für Menschen sein kann — keinen Exekutor unsrer geistigen Gesinnung haben,
so sind wir verdammt, ewig und auch fürderhin unter Fleischergesellen zu leben,
und uns bleiben die Bücher und die Tinte und das Papier, worauf wir uns ergehen
dürfen. Das ist so unendlich unfruchtbar, zu glauben, man könne die negative
Tätigkeit des Niederreißens entbehren, wenn man aufbauen will. Seien wir
konkret. Eine Naumannsche Rede in Weimar verpflichtet zu gar nichts: der
Beschluß irgendeines Gemeindekollegiums zeigt uns den Bürger in seiner
Nacktheit.
Der unbedingten Solidarität
aller Geldverdiener muß die ebenso unbedingte Solidarität der Geistigen
gegenüberstehen. Es geht nicht an, daß man feixenden Bürgern das Schauspiel
eines Kampfes liefert, aus dem sie nur und ausschließlich heraushören: dürfen
wir weiter schachern, oder dürfen wir es nicht? Dürfen wir weiter in Cliquen und
Klüngeln schieben, oder dürfen wir es nicht? Nur das wird gehört, und keine
metaphysische Wahrheit und kein kritizistischer Irrtum.
Ist schon alles vergessen?
Gleiten wir schon wieder in den behaglichen Trott hinüber, in dem Ruhe die
erste und letzte Pflicht ist? Schon regt sich allerorten der fade Spruch: «Es
wird nicht so schlimm gewesen sein.» — «Ihr Herr Gemahl ist an Lungenentzündung
gestorben?» sagte jener Mann, «na, es wird nicht so schlimm gewesen sein!»
Es ist so schlimm gewesen. Und
man mache ja nicht wieder den Versuch, zu behaupten, die <Pionierarbeit des
deutschen Kaufmanns> werde uns <schon herausreißen>! Wir sind in der
ganzen Welt blamiert, weil wir unsre besten Kräfte tief im Land versteckt und
unsre minderwertigen hinausgeschickt haben. Aber schon regen sich die Stimmen,
die dem Deutschen einzureden versuchen, es werde, wenn er nur billige Ware
liefere, sich alles einrenken lassen. Das wollen wir nicht! Wir wollen nicht
mehr benutzt sein, weil unsre jungen Leute im Ausland alle andern unterboten
haben, und weil man bei uns schuftete, aber nicht arbeitete. Wir wollen
geachtet werden um unsrer selbst willen.
Und damit wir in der Welt
geachtet werden, müssen wir zunächst zu Haus gründlich rein machen. Beschmutzen
wir unser eigenes Nest? Aber einen Augiasstall kann man nicht beschmutzen, und
es ist widersinnig, sich auf das zerfallene Dach einer alten Scheune zu
stellen und da oben die Nationalhymne ertönen zu lassen.
Wir sollen positive Vorschläge machen. Aber alle
positiven Vorschläge nützen nichts, wenn nicht die rechte Redlichkeit das Land
durchzieht. Die Reformen, die wir meinen, sind nicht mit Vorschriften zu
erfüllen, und auch nicht mit neuen Reichsämtern, von denen sich heute jeder für
sein Fach das Heil erhofft. Wir glauben nicht, daß es genügt, eine große
Karthotek und ein vielköpfiges Personal aufzubauen und damit sein Gebiet zu
bearbeiten. Wir glauben, daß das Wesentliche auf der Welt hinter den Dingen
sitzt, und daß eine anständige Gesinnung mit jeder, auch mit der schlechtesten,
Vorschrift fertig wird und sie gut handhabt. Ohne sie aber ist nichts getan.
Was wir brauchen, ist diese anständige
Gesinnung.
Wir können noch nicht Ja
sagen. Wir können nicht einen Sinn stärken, der über den Menschen die
Menschlichkeit vergißt. Wir können nicht ein Volk darin bestärken, seine
Pflicht nur dann zu tun, wenn jedem Arbeitenden ein Popanz von Ehre aufgebaut
wird, der sachlicher Arbeit nur im Wege ist. Wir können nicht zu einem Volk Ja
sagen, das, noch heute, in einer Verfassung ist, die, wäre der Krieg
zufälligerweise glücklich ausgegangen, das Schlimmste hätte befürchten lassen.
Wir können nicht zu einem Land Ja sagen, das von Kollektivitäten besessen ist,
und dem die Korporation weit über dem Individuum steht. Kollektivitäten sind
nur ein Hilfsmittel für die einzelnen. Wir können nicht Ja zu denen sagen,
deren Früchte die junge Generation darstellt: ein laues und flaues Geschlecht,
angesteckt von dem kindischen Machthunger nach innen und der Gleichgültigkeit
nach außen, den Bars mehr zugetan als der Bravour, von unsäglicher Verachtung
für allen Sturm und Drang, den man zur Zeit nicht mehr trägt, ohne Flamme und
ohne Schwung, ohne Haß und ohne Liebe. Wir sollen laufen, aber unsre Schenkel sind
mit Schnüren gefesselt. Wir können noch nicht Ja sagen.
Leute, bar jedes
Verständnisses für den Willen, der über die Tagesinteressen hinausheben will —
man nennt das hierzulande: Realpolitiker — bekämpfen uns, weil wir im
Kompromiß kein Heil sehen, weil wir in neuen Abzeichen und neuen Aktenstücken
kein Heil sehen. Wir wissen wohl, daß man Ideale nicht verwirklichen kann, aber
wir wissen auch, daß nichts auf der Welt ohne die Flamme des Ideals geschehen
ist, geändert ist, gewirkt wurde. Und — das eben scheint unsern Gegnern eine
Gefahr und ist auch eine — wir glauben nicht, daß die Flamme des Ideals nur
dekorativ am Sternenhimmel zu leuchten hat, sondern sie muß hienieden brennen:
brennen in den Kellerwinkeln, wo die Asseln hausen, und brennen auf den Palastdächern
der Reichen, brennen in den Kirchen, wo man die alten Wunder rationalistisch
verrät, und brennen bei den Wechslern, die aus ihrer Bude einen Tempel gemacht
haben.
Wir können noch nicht Ja
sagen. Wir wissen nur das eine: es soll mit eisernem Besen jetzt, grade jetzt
und heute ausgekehrt werden, was in Deutschland faul und vom Übel war und ist.
Wir kommen nicht damit weiter, daß wir den Kopf in ein schwarz-weiß-rotes Tuch
stecken und ängstlich flüstern: Später, mein Bester, später! nur jetzt kein
Aufsehen!
Jetzt.
Es ist lächerlich, einer
jungen Bewegung von vier Monaten vorzuwerfen, sie habe nicht dasselbe Positive
geleistet wie eine Tradition von dreihundert Jahren. Das wissen wir.
Wir stehen vor einem Deutschland voll unerhörter Korruption, voll
Schiebern und Schleichern, voll dreimalhunderttausend Teufeln, von denen jeder
das Recht in Anspruch nimmt, für seine schwarze Person von der Revolution
unangetastet zu bleiben. Wir meinen aber ihn und grade ihn und nur ihn.
Und wir haben die
Möglichkeit, zu wählen: bekämpfen wir ihn mit der Liebe, bekämpfen wir ihn mit
Haß? Wir wollen kämpfen mit Haß aus Liebe. Mit Haß gegen jeden Burschen, der
sich erkühnt hat, das Blut seiner Landsleute zu trinken, wie man Wein trinkt,
um damit auf seine Gesundheit und die seiner Freunde anzustoßen. Mit Haß gegen
einen Klüngel, dem übermäßig erraffter Besitz und das Elend der Heimarbeiter
gottgewollt erscheint, der von erkauften Professoren beweisen läßt, daß dem so
sein muß, und der auf gebeugten Rücken vegetierender Menschen freundliche
Idyllen feiert. Wir kämpfen allerdings mit Haß. Aber wir kämpfen aus Liebe für
die Unterdrückten, die nicht immer notwendigerweise Proletarier sein müssen,
und wir lieben in den Menschen den Gedanken an die Menschheit.
Negativ? Viereinhalb Jahre haben wir das
fürchterliche Ja gehört, das alles gut hieß, was frecher Dünkel auszuführen
befahl. Wie war die Welt so lieblich! Wie klappte alles, wie waren alle
d'accord, ein Herz und keine Seele, wie bewegte sich die künstlich
hergerichtete Landschaft mit den uniformierten Puppen darin zum Preise unsrer
Herren! Es war das Thema des Anakreon. Und mit donnerndem Krachen ist das
zusammengebrochen, was man früher für eisern gehalten hatte, und was nicht
einmal Gußeisen war, die Generale fingen an, sich zu rechtfertigen, obgleich
sie es gar nicht nötig hätten, keiner will es gewesen sein, und die
Revolutionäre, die zu spät kamen und zu früh gebremst wurden, werden
beschuldigt, das Elend herbeigeführt zu haben, an dem doch Generationen gewirkt
hatten. Negativ? Blut und Elend und Wunden und zertretenes Menschentum — es
soll wenigstens nicht umsonst gewesen sein. Laßt uns auch weiterhin Nein sagen,
wenn es not tut! Es ist das Thema des Aischylos.
Quelle: Kurt
Tucholsky im Jahre 1919 („Wir Negativen“)
Anmerkung: Es ist
erstaunlich, wie vieles aus dieser brillanten Apologie auch noch – immer noch –
auf unsere Zeiten passt wie die Faust aufs Auge. Auch zwei Katastrophen und
damit verbundenes unendliches Leid haben kein Umdenken in die von Tucholsky
gewiesene Richtung bewirkt. Das liegt aber – so scheint es uns – nicht an der
geistigen Minderbemitteltheit der Deutschen, sondern an eingerannten
Fehlvorstellung, etwas am obrigkeitshörigen Volkscharakter und viel an
fremdgesteuerter Manipulation, die – wegen vielfach gebrochener Rückgrate – auf
fruchtbaren Boden fiel.